Mütter im Kampf gegen Magerwahn

Wenn Töchter hungern

16.10.2009

Brigitte Reifetzhammer hätte ihre Tochter fast an die Magersucht verloren.

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© WireImage.com/Getty, Ennsthaler Verlag
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In einem Buch beschreibt sie den Kampf um ihr Kind. Die Reaktionen waren enorm, als MADONNA vor drei Wochen als erstes Frauenmagazin Österreichs die große „Stopp dem Magerwahn“-Aktion ins Leben rief. Die Diskussion, die MADONNA rechtzeitig zu den internationalen Fashionweeks in Österreich lostrat, bewegte kurz darauf auch unsere deutschen Nachbarn – startete doch das deutsche Frauenmagazin Brigitte eine ganz ähnliche Initiative gegen Magermodels. Ab 2010 will Brigitte nur noch „echte“ Frauen, keine Models, mit normalen Maßen zeigen. Wie toll das aussehen kann, zeigt MADONNA bereits nächste Woche! Für die Ausgabe vom 24. Oktober produziert das MADONNA-Modeteam eine Traum-Ausgabe mit „Frauen von nebenan“.

Mütter von Betroffenen
Aktionen, die vor allem bei Frauen wie Brigitte Reifetzhammer und Susanne Länger auf Zustimmung stoßen. Denn das Thema Magersucht hat ihr Leben bereits vor Jahren für immer verändert. Die Töchter beider Frauen litten an der tückischen Krankheit. Auf der Suche nach einer Antwort auf die quälende Frage nach dem „Warum?“ und „Wer hat Schuld?“, begann sowohl Brigitte Reifetzhammer, als auch Susanne Länger zu schreiben. Das Ergebnis sind zwei ungeschönte Werke – Susanne Länger verpackte ihre Geschichte in einen Roman (siehe Kasten rechts), Brigitte Reifetzberger verfasste eine Biografie, die Betroffenen und Nicht-Betroffenen vor Augen führt: Dieses Thema geht uns alle an!

© Ennsthaler Verlag

Gemeinsam durch die Hölle gingen Brigitte und Judith Reifetzhammer. In „Ich wäre so gerne satt“ (Ennsthaler, 14,50 Euro) erzählt die dreifache Mutter, wie sie Judith beinahe an die Magersucht verlor. Bild: (c) Ennsthaler Verlag

MADONNA bringt einen Vorabdruck des brandaktuellen Buches „Ich wäre so gerne satt“ von Brigitte Reifetzhammer, die auf beeindruckende Weise (ihre Tochter komplettiert einzelne Passagen mit Tagebucheinträgen) den Kampf um das Leben ihrer heute 26-jährigen Tochter Judith beschreibt, die zehn Jahre lang an Magersucht litt und schließlich versuchte, sich das Leben zu nehmen.

Einmal Hölle und zurück
Ich bin Judith, die Hauptdarstellerin wider Willen. (...) Mama, gut kenne ich deine Motive, die dich veranlasst haben, niederzuschreiben, was uns widerfahren ist. Du ackerst die Vergangenheit durch in der Hoffnung, das Samenkorn zu finden, aus dem meine Magersucht entstanden ist. (...) Ich muss dich enttäuschen, liebe Mama, ich kann dir da auch nicht helfen. Ich weiß es nämlich selber nicht genau. Ich erinnere mich jedoch, dass ich sehr früh in meinem jungen Leben unglücklich und diesen Gefühlen mit Haut und Haaren ausgeliefert war. (...) Alles, was an mir schlecht ist, kommt aus meinem Körper. Atmen, essen, ausscheiden, sexuelle Lust. Nun ist der Körper an der Reihe. Jetzt muss ich ihn in den Griff bekommen...

Nichts ist mehr wie vorher
Bis zum 21. Juli 2007 lebte ich in dem Glauben, ein ganz normales Leben zu leben. (...) Vor mir steht meine Tochter, Blut rinnt an ihren Beinen herab. Um die Arme hat sie Handtücher gewickelt. Sie zittert. (...) Am liebsten würde ich mir den Schmerz von der Seele brüllen. (...) Mit dicken Verbänden an den Handgelenken, die eine deutliche Sprache sprechen, wird sie in die psychiatrische Klinik gebracht (...) Diagnose: Anorexie nervosa. (...) Später wird mir Judith erzählen, dass erst der nahe Tod es möglich gemacht hat zu sündigen, Verbotenes zu essen. (...) Ein frisches Buttersemmerl. Danach würde sie sterben und das muss auch so sein.

Hoffnungsschimmer
Im Wagner-Jauregg-Krankenhaus wird ein Pilotprojekt gestartet, eine geschlossene Therapiegruppe für essgestörte Frauen. (...) Ich will, dass sie dort dabei ist.

Judith: Klingt interessant, (...) Einerseits möchte ich erreichen, dass ich mich in meinem Körper wohler fühle und andererseits ist eine Folge davon, dass ich zunehme und das will ich nicht, kann ich nicht, darf ich nicht. Bevor ich gesund werde, müssen alle erfahren, das ich tief verletzt bin. Dafür brauche ich meine Krankheit, sie ist mein Signal nach außen. Seht her, ich bin gezeichnet.

Dünn sein = Bewunderung
Mein Kind steckt in einem bis auf die Knochen abgemagerten Frauenkörper. Bizarre Hüftknochen, dürre Arme und Beine schockieren den Betrachter. (...) Vierzig Kilo sind immer noch hübscher als hundertvierzig Kilo. Dieses Statement hörten wir nicht nur einmal. Das ist die Gefahr in unserer Welt, wenn es hübsch ist, darf es auch krank sein. Judith: Juhu, juhu. Silvia hat gesagt, dass ich richtig arg aussehe, krank. Endlich kann keiner mehr übersehen, dass es mir schlecht geht, dass etwas nicht stimmt, dass ich Hilfe brauche.

Danke für dein Vertrauen!
Durch dich und mit dir habe ich gelernt, dass es nie zu spät ist, Altes, Unbrauchbares ziehen zu lassen und neue Wege zu gehen. Unsere Beziehung ist inniger, tiefer, ehrlicher geworden. Wir begegnen uns heute in Augenhöhe (...). Der Weg war steinig, kraftraubend und ist es phasenweise noch. Trotz allem, es ist unser Weg und wir gehen ihn zu Ende. Jede von uns auf ihre Weise. Ich danke dir für dein Vertrauen und für deine Liebe.

© MADONNA
MADONNA-Cover vom 17.10.2009
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SoWhat bietet professionelle, interdisziplinäre Unterstützung für Betroffene und Angehörige. Wenden Sie sich (auch anonym) per Mail (an help@sowhat.at) oder telefonisch (01/406 57 17, Mo.-Do. 9 bis 16 Uhr, Fr. 9 bis 13 Uhr) an das SoWhat-Beratungszentrum für Essstörungen. Oder an die Essstörungshotline: 0800 20 11 20

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