Jahreswechsel

Micro Habits statt guter Vorsätze

28.12.2020

Die Planschmiede macht zum Jahresende hin meist Überstunden: Alles soll besser werden. Warum wir unsere Vorsätze realistisch gestalten und mehr Nachsicht mit uns haben sollten und wie die Veränderung endlich gelingt.

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Sie halten sich nicht an Ihre (Neujahrs-)Vorsätze? Dann geht es Ihnen wie wohl den meisten Österreicherinnen und Österreichern. Pläne, die am Silvesterabend geschmiedet werden, werden schon nach wenigen Tagen wieder ad acta gelegt. Schuld daran ist nicht allein mangelnde Disziplin: Wir stecken unsere Ziele zu hoch, setzen uns unrealistische Vorgaben und denken in Riesenschritten. Was zu Beginn noch fabelhaft klingt und in den ersten Jännerwochen eventuell noch gelingt, wird in der Hektik des Alltags schnell zur Herkulesaufgabe: Ob das sechs Mal pro Woche geplante Cardio-Training oder das beschworene, radikale Rauchstopp-Programm – große Pläne kommen leider schnell unter die Räder. Zu einschneidend ist die Veränderung, zu hoch der nötige Kraftaufwand. Irgendwann geben wir uns geschlagen, sind enttäuscht und verstehen nicht, warum wir unsere Vorhaben nicht umsetzen können. Dabei vergessen wir eine umfassend starke Kraft, die uns nur allzu oft von unseren Plänen abbringt: Gewohnheit.
 
Gewohnheit stört Vorsätze
So unscheinbar das Wort „gewöhnt“, so umfassend seine Auswirkung auf unser Leben. Ganze 43 Prozent unseres täglichen Verhaltens bestehen aus Gewohnheit, gibt Dr. Mattias Hammer in der Einleitung seines Buchs "Micro Habits. Wie Sie schädliche Gewohnheiten stoppen und gute etablieren zu bedenken". „Bei 43 Prozent sind viele gedankliche Gewohnheiten noch nicht einmal mitberücksichtigt“, so der Psychotherapeut. Und wer den eigenen Tages­ablauf genauer unter die Lupe nimmt, kann die Tatsache höchstwahrscheinlich auch bestätigen. Die morgendliche Hygieneroutine etwa ist ein solcher stark gewohnheitsgetriebener Fall: Die Reihenfolge, in der wir Zähne putzen, unser Gesicht waschen usw., ist meist genau dieselbe. Ebenso verhält es sich mit unseren Essgewohnheiten: Zu welchen Nahrungsmitteln wir greifen und in welchen Mengen, geschieht meist automatisiert. Unser Gehirn liebt solche Gewohnheiten, denn sie sparen Kraft und Denkleistung: „Gewohnheiten sind einmal gefundene Lösungswege, die unser Gehirn sich eingeprägt hat“, so Dr. Hammer. Über den Tag hinweg begleiten uns unzählige solch routinierter Abläufe, wovon einige leider unvorteilhaft sind: die Zigarette nach dem Mittagessen, die „Schokopause“ nach einer anstrengenden Aufgabe oder der ständige Blick aufs Smartphone. Oft unbemerkt und ohne wirkliche Gratifikation wird so unsere Gesundheit und Psyche negativ beeinflusst. Die Ausfüh­rung von Gewohnheiten folgt laut Dr. Hammer immer einem konkreten Muster. Wer diese Gewohnheitsmuster erkennt, kann den Effekt auch positiv nutzen – für die Veränderung.
 
Konsequent und „klein“ ans Ziel
Anstatt radikaler Veränderungen raten viele Experten dazu, kleine Schritte zu machen. Diese sind auf lange Sicht besonders wirksam, werden schneller zur Gewohnheit und sind realistisch. Denn aus kleinen positiven Handlungen, die wir regelmäßig setzen, entwickeln sich große Veränderungen. Wer etwa konsequent und über ein Jahr hinweg zwei-oder dreimal pro Woche für 30 Minuten trainiert, der wird von nachhaltigen Verbesserungen profitieren. Wer hingegen die Latte sehr hoch setzt und sich vornimmt, sechs Mal pro Woche zu trainieren, läuft sehr viel eher Gefahr, unter der Last des großen Vorsatzes nachzugeben und ihn bald aufzugeben. Denn neben der Disziplinfrage ist solch ein Vorhaben auch immer eine Frage der Vereinbarkeit mit dem Alltag: Für sehr viele Menschen ist es schwer, fast täglich die Zeit und/oder Motivation für ein 30-minütiges Training zu finden. Es entsteht ein Kreislauf des motivierten Anlaufnehmens und des Wiederaufhörens. Die Folge ist meist Frust. Kleine Veränderungen, die wirklich umgesetzt werden, sind die notwendigen, lebensverändernden Schritte. Der große Bonus: Wenn wir diese Dinge lange genug umsetzen, dann werden sie irgendwann zur Gewohnheit – ideal! Denn alles, was Gewohnheit ist, fällt leichter und findet beinah automatisiert statt. „Gewohnheiten sind die vielen kleinen Dinge, die wir täglich tun“, fasst Dr. Hammer in seinem Buch zusammen. „Es sind die Bausteine unseres Lebensstils. Und damit sind es auch die Bausteine unserer Gesundheit.“ Der Prozess muss also lauten: Unvorteilhafte Gewohnheiten entlarven , nach und nach abstellen und neue, vorteilhafte Gewohnheiten etablieren – in kleinen und realistischen Schritten. Dann haben die Vorsätze die besten Chancen auf ein langes Leben.
 

ERKENNEN SIE MUSTER

Nur wer das eigene Verhalten kennt, kann es ändern! „Gewohnheitsmuster“ aus „Micro Habits“ von Dr. Matthias Hammer: 
 
1. Auslöser
Die erste Stufe eines Gewohnheitsmusters ist immer der Auslöser. Irgendeine bestimmte Situation oder ein Signal setzt die Maschinerie in Gang, die uns zu gewohntem Fühlen und Handeln animiert.
2. Belohnungserwartung
In der zweiten Phase steigen in uns das Verlangen und die Vorfreude auf die Belohnung.
3. Aktion
Jetzt erst folgt die Handlung, die längst zur Routine wurde: Wir greifen zu Zigaretten, zum Schokoriegel und
leiten Phase 4 ein.
4. Belohnung
Wir erhalten die Belohnung und beenden den Kreislauf. Oft ist das Muster schon so automatisiert, dass wir der Belohnung selbst gar nicht mehr so viel Genuss abgewinnen, wie in Phase 2 vermutet.

SO SETZEN SIE PLÄNE UM

1. Realistisch bleiben
Langlebig Stecken Sie sich Ihre Ziele nicht zu hoch, 
besonders zu Beginn, und streben Sie keine  80-Grad-Drehung an. Kleine Vorhaben, die regelmäßig wiederholt werden, sind nachhaltiger als radikal begonnene und dann schnell wieder ad acta gelegte. Definieren Sie Ihre Vorsätze klein, aber genau, damit Sie gezielt und realistisch vorgehen.
 
2. Großes Bild im Auge behalten
Vision Bei all der Besinnung auf die Kurzstrecke ist es wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, warum die Veränderung angestrebt wird. Warum tue ich das? Was ist mir langfristig wichtig? 
Setzen Sie Gesundheit und Wohlbefinden in den Fokus, nicht die Kleidergröße.
 
3. Sich selbst verzeihen
Legen Sie das Drama rund um Fehltritte ab! Sie haben sich einen kleinen Ausrutscher geleistet? Macht nichts! Das passiert. Erklären Sie die Pläne nicht als komplett gescheitert und verwerfen Sie sie nicht, nur weil Sie ein paar Tage nicht bei der Stange geblieben sind. Versuchen Sie einfach, so bald wie möglich wieder auf die richtige Bahn zu kommen. Egal ob es ums Abnehmen geht oder um das Vorhaben, jeden Monat zwei Bücher zu lesen: Wenn Sie Ihre Vorhaben bei 7 von 10 geplanten Malen umsetzen, dann haben Sie immer noch gewonnen und sich dramatisch in die richtige Richtung bewegt.
 
4. Im Zweifel „klein“ bleiben
Sie finden, Sie verlieren sich manchmal im großen Bild, kommen vom Weg ab oder brauchen zwischendurch neuen Antrieb? Dann besinnen Sie sich auf kleine, überschaubare Teilziele. Gehen Sie jeden Tag neu und überschaubar an, halten Sie sich nicht die restliche, womöglich lange Wegstrecke vor 
Augen.
© mvg Verlag
 
„Micro Habits. Wie Sie schädliche Gewohnheiten stoppen und gute etablieren“ von Dr. Matthias Hammer, mvg Verlag, ab 17,90 Euro im Handel.
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