'Wir sind wie zwei Schwestern'

Betancourt traf Natascha Kampusch

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In Wien kam es zu einem berührenden Treffen zwischen Natascha Kampusch und Ingrid Betancourt, die sechs Jahre in Kolumbien in Geiselhaft war.

(c) Kernmayer / NiesnerEigentlich war sie nach Wien gekommen, um den „Woman of the Year Award“ entgegen zu nehmen. Doch schließlich wurde der Wien-Besuch von Ingrid Betancourt, die sechseinhalb Jahre als Geisel der FARC-Rebellen unter unmenschlichen Bedingungen im Dschungel Kolumbiens gefangen war, vor allem zu einem berührenden Treffen mit Natascha Kampusch.

„Kampusch wie eine Schwester“
Eigentlich war nur ein kurzes Gespräch der beiden Frauen am Rande der Preisverleihung geplant – doch letztlich verbrachten die beiden den gesamten Sonntagabend miteinander.

Die Details des berührenden Treffens: Um 15.15 Uhr wurde Natascha Kampusch ins Hotelzimmer von Betancourt im Wiener Palais Coburg vorgelassen. „Kampusch hat dasselbe erlebt wie ich, sie ist wie eine Schwester für mich“, erklärte Betancourt mit Tränen in den Augen. „Ich wollte sie einfach umarmen und ihr sagen, dass sie in meinem Herzen ist.“

Sie verstehe voll und ganz, dass Kampusch nicht über ihre Erlebnisse in Gefangenschaft sprechen wolle, so Betancourt: „Ich kann das sehr gut verstehen, auch ich will nicht über alle Details meiner Gefangenschaft reden.“

Nach einem beinahe zweistündigen ersten Gespräch beschlossen die beiden ganz spontan, am Abend gemeinsam durch Wien zu spazieren, um sich die Stadt anzusehen.
Und nach einem ausgiebigen Kultur-Programm schlossen die beiden Frauen den Tag mit einem ausgedehnten gemeinsamen Abendessen ab. „Es war von Anfang an eine sehr innige Beziehung, man merkt, dass die beiden Frauen ein gemeinsames Schicksal verbindet“, so ein Kampusch-Sprecher.

Drei Tage Wien
Aus Wien reist Betancourt nach einem Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer, wieder ab. Im Gespräch mit ÖSTERREICH erklärte die Preisträgerin, wie sie all die Jahre in Gefangenschaft überleben konnte: „Auch wenn es komisch klingt: Gott gab mir während all dieser Jahre im Dschungel Kraft. Unter den Rebellen gab es nur ihn für mich.“
(Dana Müllejans)

Frage: Was gab Ihnen die Kraft, all die Jahre in Gefangenschaft zu überstehen?
Ingrid Betancourt:
Gott gab mir während all dieser Jahre meine Kraft. Im Dschungel gab es nur ihn für mich.

Frage: Gestern Nachmittag haben Sie Natascha Kampusch zu einem persönlichen Gespräch getroffen, warum?
Betancourt:
Sie ist wie eine Schwester für mich und hat das erlebt, was ich auch erlebt habe. Ich wollte sie einfach umarmen und ihr sagen, dass sie in meinem Herzen ist.

Frage: Werden Sie je nach Kolumbien zurückkehren?
Betancourt:
Als Politikerin sicher nicht, denn ich bin dort nicht mehr sicher.

Frage: Werden Sie denn weiterhin von den FARC-Rebellen bedroht?
Betancourt:
Ja, alle die Anfang Juli aus der Gefangenschaft befreit wurden, sind zu „Geflohenen“ erklärt worden. Wenn die Guerillas die Möglichkeit dazu bekämen, würden sie uns töten.

Frage: Derzeit werden Sie mit Ehrungen überhäuft. Was bedeuten Ihnen diese?
Betancourt:
Sie sind für mich sehr wichtig, denn Sie zeigen mir, dass viele Menschen so denken wie ich. Es ist eine Möglichkeit, weiter für meine Sache zu kämpfen und nicht aufzugeben.

Frage: Sie sprechen von der Befreiung anderer Geiseln?
Betancourt:
Ja, ich hoffe, dass viele nicht noch ein Weihnachtsfest getrennt von ihren Familien im Dschungel erleben müssen, sondern freikommen.
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