Comeback

Anna Veith im großen MADONNA-Talk

Teilen

Nach einem Kreuzbandriss arbeitet Anna Veith seit Monaten an ihrem Comeback. Wie und warum sie das schaffen will, erzählt der Skistar im MADONNA-Gespräch.

Während Marcel Hirscher dem Skizirkus diesen September Adieu sagte, brennt  Anna Veith nur so darauf, heuer endlich wieder Teil davon zu sein. Nach ihrem Kreuzbandriss Anfang des Jahres musste die 30-jährige Salzburgerin monatelang hart daran arbeiten, um überhaupt wieder ihre berühmten Schwünge ziehen zu können. Doch harte Arbeit war dem bodenständigen Skistar noch nie zuwider. Im Gegenteil: „Durch gewisse Herausforderungen habe ich immer viel gelernt“, so Veith im großen MADONNA-Talk.            


Ganz privat. Wir besuchten die sympathische Wintersportlerin in dem von ihrem Ehemann Manuel geführten Hotel Arx in Rohrmoos und plauderten mit ihr über den schwierigen Weg zurück an die Spitze, die Bedingungen einer guten Partnerschaft und reflektierten mit ihr über  ganz persönliche Erfolgs-, Motivations- und Stilgeheimnisse.    

Wie geht es Ihnen?
Anna Veith:
Danke, mir geht’s gut! Mich freut besonders, dass das Training so gut läuft. Mein langsamer und behutsamer Aufbau zahlt sich voll aus. Ich habe extra viel in den Aufbau investiert – um dann wirklich mit bestmöglicher Fitness ins Schneetraining einzusteigen. Und das ist gelungen. Ich konnte jetzt von Woche zu Woche die Belastung steigern. Und das Schönste: Der Spaß ist wieder da!

Kann man sagen, dass Sie mit Zuversicht in die neue Saison blicken?
Veith:
Zuversichtlich auf jeden Fall. Aber ich weiß auch, dass ich noch jede Menge Geduld brauche und wir, was das Skitraining angeht, noch ganz am Anfang stehen.  Das Entscheidende ist, ich habe ein gutes Gefühl und spüre, unsere Schritte sind die richtigen.    

Wie kommt man denn nach einer solchen Verletzung wie der Ihren zurück in Form? Wie sieht das Training dazu aus?  
Veith:
Entscheidend ist, dass man sich klar macht – es geht quasi bei null los. Man ist ja durch die Verletzung brutal rausgerissen worden, von 100 auf 0 gebremst, in einer Millisekunde. Für mich ging dann direkt nach der OP die Reha-Phase los. Erst mal Fokus auf Regeneration und gesund werden: Lymph-Drainagen, Physiotherapie, Wassertherapie, man lernt wieder normal gehen, man lernt belasten. Was dann richtig lang ist, ist die Aufbauphase, bis man wieder Ski fahren kann. Da muss das Knie in erster Linie heilen, dann startet der Kraftaufbau. Und weil bei mir dann das Kreuzband durch eine Sehne ersetzt wurde, gibt es dann noch mal eine sehr kritische Phase. Zwischen dem dritten und sechsten Monat. Da wandelt der Körper die Sehne zum Band um, da darf man nichts riskieren. Nach dieser Zeit ist dann jeder Monat wichtig, um Stabilität zu erarbeiten. Und das dauert eigentlich ein ganzes Jahr. Erst danach kann man davon sprechen, dass man wieder zu 100 Prozent leistungsfähig ist. Ich hoffe, dass ich im November so weit bin, bei den USA-Rennen, dass ich dann wieder in den Weltcup einsteigen kann.        

 Wie war das erste Gefühl, nach acht Monaten wieder auf den Skiern zu stehen?
Veith:
Einfach nur schön (schmunzelt). Ich hatte dieses Bild die ganze Zeit in der Reha- und Aufbauphase vor Augen, habe davon geträumt – endlich wieder das machen zu können, was ich liebe. Das, wofür ich so hart gearbeitet habe. Der erste Schneetag ist dann immer richtig emotional. Objektiv gesehen ist es nicht spektakulär, weil man nicht besonders schnell fährt, aber alleine die Tatsache, wieder den Schnee zu spüren, auf den Skiern zu sein und zu ­merken, dass das Knie hält, dass es wieder belastbar ist, ist ein großer Moment. So ­gesehen der wichtigste Schritt zum ­Comeback.    

Sie haben in Ihrem Leben so viel erreicht  – warum haben Sie sich nach Ihrer bereits dritten Knie-Operation erneut dazu entschlossen, weiterzumachen?  
Veith:
Natürlich hatte ich auch Phasen, in denen ich überlegt habe, ob es wirklich noch Sinn macht, mich wieder zu quälen, den Aufbau zu  machen und diesen langen Weg auf mich zu nehmen, um wieder in Form zu kommen. Ich habe mich gefragt: Steht das wirklich noch dafür? Denn meine letzte Knie-Verletzung war ja wirklich so schwer, dass keiner gewusst hat, ob es wieder möglich sein wird, auf dem Niveau zu performen, auf dem ich vorher war. Mir persönlich war das lange gar nicht so bewusst. Ich habe mich immer nur auf den nächsten Schritt fokussiert und in erster Linie war es mir wichtig, gesund zu sein und nicht in einem Tief mit dem Sport aufzuhören. Wenn ich irgendwann mal mit dem Sport aufhöre, will ich trotzdem weiter Ski fahren können. Das ist mein großer Wunsch, der mich auch in schwierigen Zeiten angetrieben hat. Aber Leistungssport ist natürlich etwas ganz anderes als normales Skifahren auf der Piste. In all den schwierigen Phasen habe ich immer gemerkt, dass ich mich persönlich besonders weiterentwickelt und verändert habe. Durch diese Herausforderungen habe ich viel gelernt, was mir gewissermaßen auch getaugt hat. Für mich ist das Skifahren immer die Möglichkeit gewesen, mich weiterzuentwickeln und zu verbessern. Ich finde den Sport an sich extrem spannend. Das ist auch der Grund, warum ich immer Skifahrerin werden wollte, weil ich den Sport einfach so sehr liebe. Aber vor allem: Es ist einfach ein sehr großes Privileg, dieses Leben führen zu dürfen. Wenn ich beispielsweise auf Trainingskurs bin, stehe ich in der Früh auf, fahre den Berg hinauf, sehe den Sonnenaufgang, darf Ski fahren, fühle mich frei und mache genau das, was mir Spaß macht. Und das darf ich Job nennen. Es gibt also viele Gründe (lächelt).     

Dementsprechend könnte es eher nicht sein, dass Sie während der Saison in der Früh aufstehen und beschließen, den Hut draufzuhauen?
Veith:
  Natürlich hat es Momente gegeben, in denen ich Probleme mit meiner Gesundheit hatte, meinen Sport nicht so ausüben konnte, wie ich mir das vorstelle, und mir dann gedacht habe, dass dies ein guter Zeitpunkt wäre, um aufzuhören. Aber dann kommt immer wieder dieser Basisgedanke: Nein –  es zahlt sich aus, weiterzumachen und wieder eine Hürde zu überwinden. Dementsprechend glaube ich nicht, dass dieser Tag kommen wird.  

Ihre Knie haben eine lange Leidensgeschichte und Sie haben bereits erklärt, wie Sie körperlich an der Heilung arbeiten – aber wie machen Sie dies mental?   
Veith:
Wenn ein schwieriger Moment kommt, dann ist das meistens, weil ich sehr auf den Fortschritt fokussiert bin und dieser nicht gleich folgt. Das will ich manchmal so nicht akzeptieren. In diesen Phasen hilft es mir zu sehen, was ich bereits geschafft habe und wie weit ich gekommen bin – dann sage ich mir, hey, der nächste Schritt, der kommt auch noch. Hab einfach Geduld, bleib ganz bei dir. Natürlich ärgert man sich, wenn es länger dauert als erwartet, aber dann muss man sich selbst wieder runterholen und neues Vertrauen in sich selbst und den eigenen Körper fassen.      

Im Umkehrschluss könnte man also sagen, dass Sie manchmal etwas ungeduldig sind?
Veith:
Das stimmt, aber ich arbeite dran. Oft ist es ja so, dass man einen großen Schritt erwartet, aber manchmal braucht es stattdessen einfach drei kleine Schritte, bis man an dem „richtigen“ Punkt ist. Und dieser Weg zahlt sich aus, das habe ich ­gelernt.  

Abgesehen von der persönlichen Erwartungshaltung, sind Sie als eine von Österreichs erfolgreichsten  Sportlerinnen auch den Erwartungen von Fans, Förderern, Managern etc. ausgesetzt. Wie gehen Sie mit damit um?   
Veith:
Diesen Druck kann ich natürlich am wenigsten beeinflussen. Es ist mir bewusst, dass Erwartungen da sind, aber ich versuche sie nach Möglichkeit auszublenden. Sie einfach nicht an mich ranzulassen. Und zwar so, dass ich weiß, dass ich für gewisse Erfolge schon sehr früh sehr hart arbeiten musste. Auf diese Dinge habe ich mich immer schon fokussiert. Es hilft mir sehr, in meiner eigenen Welt zu bleiben und meine eigenen Ziele vor Augen zu behalten.      
  
Welche Rolle hat Ihr Ehemann in den letzten für Sie schwierigen Zeiten gespielt? Wie hat er Sie unterstützt?
Veith:
Er hat mich nie in eine Richtung gedrängt, sondern immer gesagt, dass, wie auch immer ich mich entscheiden werde, er zu hundert Prozent hinter mir stehen wird. Manchmal, wenn man eine Entscheidung zu treffen hat, will man das vielleicht nicht hören, weil man vielleicht lieber wissen will, was der andere tun würde. Aber er hat mich nie beeinflusst, sondern immer nur gesagt, dass ich das tun soll, was ich für richtig halte. Das rechne ich ihm extrem hoch an. Natürlich hätte er sich vielleicht gewünscht, dass ich mehr daheim bin, aber trotzdem schätzt er es für mich, dass ich meinen Lebenstraum leben kann. Und das ist das Schöne. Und das macht mich sehr glücklich.

Wir haben vorher auch bei Ihren Trophäen geshootet – gibt es eine, die Ihnen eventuell besonders viel bedeutet?
Veith:
Natürlich nicht nur eine, jede einzelne hat ihre Geschichte, sonst wäre sie nicht zustande gekommen. Aber eine, die besonders hervorsticht, ist der Gesamtweltcup. Als ich noch ganz jung war, hatten viele gesagt, das ist das Ziel, das sie haben muss, das sie erreichen kann. Also irgendwie wurde es von mir erwartet. Dass ich das geschafft habe, diesen Erwartungen gerecht werden konnte, war ein ganz wichtiger Meilenstein für mich. Dieser Erfolg hat mich gefühlt dann schon ein Stück weit befreit. Ebenfalls sehr wichtig war die Silber-Medaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Nach einem so schweren Jahr einen solchen Erfolg zu schaffen, war emotional das Größte, was ich in meiner Karriere erlebt habe.      

Würden Sie noch einmal auf die Olympischen Spiele 2022 hintrainieren?
Veith:
Olympische Spiele sind sicher etwas Besonderes, da die Chance, eine Medaille zu gewinnen, nur alle vier Jahre kommt. Ich für mich jedoch werde von Jahr zu Jahr schauen, wie ich mich körperlich fühle, und so entscheiden, wie lange meine Karriere noch andauern wird. Das hat nichts mit den Olympischen Spielen zu tun.  

Sie sind heuer 30 Jahre alt  geworden – wie haben Sie gefeiert?
Veith:
Ich habe im Kreise der Familie und mit Freunden gefeiert. Es war auf jeden Fall größer als der 29er (lacht). Für mich war das Schönste, dass es einen Grund zur Zusammenkunft von all meinen Lieben gab.  

Die Tatsache, dass jetzt ein Dreier in Ihrer Altersangabe steht, hat Sie also nicht tangiert?   
Veith:
Ich fühle mich jetzt viel jünger als vor einigen Jahren, als ich aus einer Verletzung herauskam. Das hat also nichts mit dem Alter zu tun.    

Wenn Sie zurückblicken auf die Anna von vor acht Jahren zum Beispiel – haben Sie sich, abgesehen vom Nachnamen, verändert, haben sich eventuell irgendwelche Werte und Vorstellungen durch das Älterwerden stärker herausgebildet und manifestiert?
Veith:
Ich denke schon, dass man in diesem Alter als Skifahrerin weiß, dass man den größten Teil seiner Karriere hinter sich hat. Man blickt zurück und fragt sich, ob es genau so war, wie man sich das vorgestellt hat. Natürlich hätte ich mir mit 22 Jahren gewünscht, was ich heute rückblickend gesehen tatsächlich an Erfolgen erreichen konnte. Sehr viel gelernt habe ich durch meine Tiefschläge. Was die Werte betrifft – Familie war mir immer schon sehr wichtig, da ich in meinem Leben durch den Sport viel unterwegs war. Das ist auch heute noch so. Hinsichtlich der Karriere bin ich wahrscheinlich etwas ­gelassener geworden. Früher hat es mich sicher mehr gestresst, weil ich alles drangesetzt habe, etwas zu erreichen. Heute überlege ich mehr und hinterfrage stärker. Ich habe immer sehr intensiv trainiert und nie an die körperlichen Konsequenzen gedacht. Heute spüre ich das, denke über diese Dinge nach und versuche, cleverer an viele Sachen heranzugehen.      

Anna Veith
© Kernmayer

Apropos hochwertig und qualitativ: Was hat Sie davon überzeugt, die Partnerschaft mit Breitling einzugehen?   
Veith:
Grundsätzlich ist es für mich sehr wichtig, dass die Werte übereinstimmen in einer Partnerschaft. Das ist bei all meinen Kooperationen so. Es muss authentisch sein, man muss einfach zueinander passen. Und mit der Zuverlässigkeit, der Pünktlichkeit, Präzision und Qualität stimmen wir definitiv überein. Die Uhren sind außerdem höchst vielfältig – edel, aber gleichzeitig sportlich. Und das ist eine Besonderheit, wie ich finde.      

Wie sieht Ihr Stil im Alltag aus?
Veith:
Im Alltag bin ich eher sportlich unterwegs. Dementsprechend ist es gut möglich, dass man mich schon mal im Jogginganzug antrifft. Aber das gehört zu meinem Beruf. Gleichzeitig genieße ich es sehr, mich in meiner Freizeit dann bewusst weiblicher und chicer zu zeigen. Unser Sport ist sehr kraftorientiert, nicht unbedingt so weiblich, und wir verstecken uns unter unserem Helm. Es gefällt mir aber schon, wenn ich mal ein Kleid tragen und mich schick machen kann.     

Auf dem Weg zum Interview mit Ihnen sind wir durch wunderschöne und herrlich grüne, schon leicht herbstlich anmutende Berglandschaften gefahren. Gerade in einem solchen Ambiente kommt man schon mal ins Grübeln, was die Zukunft der Umwelt angeht. Wie nehmen Sie in Ihrer Profession denn den Klimawandel wahr?   
Veith:
Dramatisch. Ich bin auch als junges Mädchen schon viel auf den Gletschern unterwegs gewesen und mit jedem Jahr sieht man die Veränderungen, die stattfinden. Im September hat es jetzt fast nie mehr Minusgrade in den Bergen, früher war das schon anders.        

Die Skiwelt lebt vom Schnee. Haben Sie das Gefühl, dass von dieser Seite auch etwas passieren muss oder kann, um dem Wandel entgegenzuwirken?   
Veith:
Nicht nur der Skisport, aber auch die Gastronomie und der Tourismus sind abhängig vom Schnee, dementsprechend müssen Lösungen gefunden werden. Es ist sicher kein lokales, sondern ein globales Problem, und bei uns wirkt es sich so aus, in einer anderen Klimazone wiederum anders. Ich sehe es vor allem so, dass es umfassende Regelungen braucht. Klar muss jeder Einzelne so gut er kann was dagegen tun, aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass nicht jeder sein Leben von heute auf morgen komplett ändern kann. Dafür braucht es die Politik, die Anreize und Regelungen schaffen kann.  Der große Hebel kann nur global wirken, wenn alle Nationen mitziehen. Und man hat bei den Wahlen aktuell auch gesehen, wie wichtig den Menschen das Thema ist.        

Was wünschen Sie sich denn für die neue Saison?
Veith:
Das Wichtigste ist, gesund zu bleiben. Dass ich den Aufbau wie geplant schaffe und mich persönlich wieder weiterentwickeln kann.

Wir haben Sie heute im Hotel Ihres Mannes besucht. Könnten Sie sich irgendwann vorstellen, hier operativ mitzuwirken?
Veith:
Wirklich operativ dabei zu sein und immer für die Gäste da zu sein – da sehe ich mich nicht wirklich. Ich unterstütze Manuel in einigen Entscheidungen schon jetzt, vor allem mit dem Shop haben wir im letzten Jahr vieles gemeinsam beschlossen. Ich stehe hinter ihm als Ehefrau so gut ich es kann und so weit es auch mein Beruf zulässt. Und in Zukunft denke ich, dass es auch so weitergehen wird. Aber jeden Tag im Hotel da zu sein und Essen zu servieren, werde ich wohl nicht (schmunzelt).

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.