"Wir retten die Welt"

Waris Dirie im Neujahrs-Talk

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Unermüdlich kämpft Wüstenblume-Autorin Waris Dirie gegen die Genitalverstümmelung und für Bildung in ihrer Heimat Afrika. Jetzt kommt ihre unvergleichliche Lebensgeschichte als Musical. 

Wer denkt, dass sich Waris Dirie nach 6 Büchern (darunter ein Lesebuch für Kinder in Afrika), einer Weltkarriere als Supermodel, einem Film und unzähligen Auftritten als Menschenrechtskämpferin ausruht, der irrt. Am 10. Jänner wird in Sierra Leona die erste „Wüstenblume“-Schule eröffnet, am 22. Februar findet die Uraufführung des Musicals „Wüstenblume“ am Schweizer Theater Sankt Gallen statt, wo Dirie derzeit mit Star-Komponist Uwe Fahrenkrog-Petersen und Drehbuchautor Gil Mehmert auf Hochtouren an den Proben arbeitet. Zwischendurch gab die somalische Powerfrau MADONNA ein Interview: 

Ein frohes neues Jahr, liebe Waris! Mit ­welchem Gefühl starten Sie denn dieses?
Waris Dirie: In meinem Herzen empfinde ich Furcht. Furcht, dass die Menschen immer noch nicht erkennen, dass es hoch an der Zeit ist, unser Leben zu ändern. Gier, Ignoranz und Dummheit in Wirtschaft und Politik verursachen immer größere soziale Ungerechtigkeit. Mutter Erde steckt in argen Schwierigkeiten und jeder von uns wird dies auf die eine oder andere Art in Zukunft schmerzhaft zu spüren bekommen. Im Dezember habe ich beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis den Hauptpreis überreicht und die Laudatio für die großartige Paula Caballero gehalten. Paula, eine Superpowerfrau aus Kolumbien, hat im Alleingang die etwas lahmen Diplomaten und Politikerinnen der UN überzeugt, die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, die bis 2030 erreicht werden sollen, zu unterzeichnen. Ich hatte ein langes Gespräch mit Luisa Neubauer, der Sprecherin, der „Fridays for Future“-Bewegung, und ihrem tollem Team. Alles junge, „toughe“ Powergirls, die wissen, was sie wollen, und dies auch durchziehen. Das alles stimmt mich sehr optimistisch, denn wir Frauen werden unsere Welt gerechter machen und Mutter Erde retten!
 
Welche Pläne stehen jetzt für Sie an? 
Dirie: Am 22. Februar 2020 feiert das Musical „Wüstenblume“ Weltpremiere in Sankt Gallen. Danach eröffne ich „Wüstenblume“-Schulen für 800 Kinder in Sierra Leone. Und: 2020 übersiedele ich von Danzig nach Berlin, da ich dort in ein faszinierendes neues Projekt eingebunden bin, das meine Anwesenheit bis Ende 2021 erfordert. 
 
Dieser Tage eröffnen Sie auch mit Kiera Chaplin die erste Schule in Sierra Leone – bestimmt ein besonderer Tag für Sie …
Dirie: Meine coole Freundin Kiera Chaplin wird die erste „Kiera Chaplin Wüstenblume Schule“ am 10. Jänner alleine eröffnen, da ich bei den „Wüstenblume“-Musicalproben gebraucht werde. Kiera hat meiner Desert Flower Foundation, vor allem in Frankreich, wo sie auch Präsidentin meiner französischen Stiftung „Fondation Fleur du Désert“ ist, sehr geholfen. Ich bin stolz, dass sie mit an Bord ist. Ja, dieser Tag wird ein besonderer Tag für mich sein. Das Schönste ist, dass ich zwei weitere „Wüstenblume“-Schulen für 800 Kinder sowie die erste „Wüstenblume“-Bibliothek und ein „Safe House“ für Mädchen am 1. März in Sierra Leone eröffnen werde. 70 Prozent der Menschen in Sierra Leone sind Analphabeten, Schulen werden dringend gebraucht. Ich hatte als Nomadenmädchen in der Wüste Somalias nie die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, obwohl ich mir dies vom ganzen Herzen gewünscht habe. Meine Brüder wurden zu Verwandten in Stadt geschickt, um eine Schule besuchen zu können. Für Mädchen war Bildung nicht vorgesehen. 
 
Im Februar feiert das Musical Ihrer berühmten Biografie „Wüstenblume“ Premiere – was erwartet die Zuseher in Sankt Gallen? 
Dirie: Ich habe mir ein Musical gewünscht, das Frauen und Mädchen Mut machen soll und Mut machen wird, und habe eine Botschaft für unser Team formuliert: „Sei stark wie eine Wüstenblume, die auch unter härtesten Bedingungen überlebt und immer wieder erblüht! Glaube auch du an dich, lebe deine Träume, verfolge konsequent Deine Ziele und gib diese niemals auf. Egal, was andere sagen, egal, wie schwer es dir als Frau, als Mädchen manchmal gemacht wird, du kannst und du wirst es schaffen.“ Diese Botschaft zieht sich durch das fantastische Drehbuch von Gil Mehmert und ist Botschaft der großartigen Lieder, die Uwe Fahrenkrog-Petersen für das Musical „Wüstenblume“ komponiert hat.

Inwiefern unterscheidet es sich vom Film? 
Dirie: Der Stoff ist dramaturgisch ganz anders aufgebaut und die Musik spielt bei einem Musical natürlich eine ganz entscheidende Rolle. Mit Uwe Fahrenkrog-Petersen, der Hits wie „99 Luftballons“ für Nena geschrieben hat und 35 Millionen Schallplatten und CDs verkauft hat, haben wir einen Komponisten mit dem richtigen Gespür für musikalische Ohrwürmer. 
 
Welche Rolle spielt Musik und Tanz in Ihrem Leben? Was hören Sie am liebsten?
Dirie: Musik und Tanzen sind für mich ganz besonders wichtig und es gibt nichts, wobei ich mich mehr und besser entspannen kann. Privat höre ich Soul, Blues, Funk, Reggae und immer öfter klassische Musik. Getanzt wird zu House (lacht). 
 
Was möchten Sie am Ende von 2020 über dieses Jahr sagen können?
Dirie: 2020 wird das Jahr der Frauen. Davon bin ich überzeugt. Nur wir können und werden unsere Gesellschaft besser und gerechter machen. Am 31. Dezember würde ich gerne sagen können: Wir Frauen haben die Welt gerettet!
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