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Sollen Grüne in Regierung? Wiener würde das gefallen

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Die Sondierungsgespräche sind diese Woche so richtig losgegangen. Mit Sarah Wiener wagt sich die erste Grüne aus der Deckung, die eine Koalition mit der ÖVP „persönlich begrüßen“ würde. Das Interview.

Sie war vorn dabei, beim „größten Comeback seit Lazarus“, wie Werner Kogler es heute gerne formuliert. Sarah Wiener lief im Mai als seine Nummer 2 für die Grünen bei der EU-Wahl, wo die zwei Jahre zuvor aus dem österreichischen Parlament gekickte Partei mit einem 14-Prozent-Erfolg erstmals wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich gab. Die 57-Jährige sitzt inzwischen im EU-Parlament und die Grünen sind auch in Wien mit knapp 14 Prozent und so vielen Abgeordneten wie noch nie zurück im Hohen Haus. Jetzt könnten sie sogar Richtung Regierung mit der ÖVP marschieren – Wiener würde das „persönlich begrüßen“, wie sie im oe24.TV-Interview mit Niki Fellner verrät.

Grüner Rat. Denn sie wolle „Veränderung sehen und grüne Werte in der Politik spüren“. Doch die politische Quereinsteigerin – Wiener wurde als Star-Köchin und erfolgreiche Unternehmerin bekannt – stellt klar: „Die Inhalte müssen stimmen.“ Die ÖVP käme jedenfalls nicht länger drum herum, „sinnvolle“ klimapolitische Maßnahmen zu setzen. Und Sebastian Kurz „täte gut daran, wenn er sich hier die Kompetenz von den Leuten holt, die sie schon seit Jahrzehnten haben“, rät Wiener dem ÖVP-Chef. Das Interview.
 
Sie sind Unternehmerin, Star-Köchin und seit der EU-Wahl im Mai auch politische Quereinsteigerin im Europaparlament. Haben Sie sich denn schon eingelebt?
Sarah Wiener: Ganz neu ist es für mich ja nicht mehr, aber die Lernkurve ist immer noch steil. Es kommt mir so vor, als wäre ich auf einem fremden Planeten gelandet mit anderen Riten und Gesetzen. Ich versuche da jetzt mich bei den Eingeborenen nicht nur anzupassen, sondern auch eine wichtige Rolle zu spielen in den nächsten Jahren. Deshalb mache ich derzeit alles, um Beziehungen, Verflechtungen und Abläufe  zu verstehen und ja nichts zu versäumen. Ich lerne, lerne und lerne und bin dann abends oft fürchterlich kaputt. Ich weiß nicht, wer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass Politiker faul wären. 
 
In Österreich wird derzeit über Türkis-Grün gesprochen. Sollen die Grünen aus Ihrer Sicht in eine Regierung gehen?
Wiener: Sollen schon einmal gar nicht, weil es geht ja nicht um Macht, sondern um Inhalte. Es ist aber so, dass wir aufgrund unserer vielfältigen Probleme einmal anders gedachte Lösungen brauchen. Insofern glaube ich, dass die ÖVP gut beraten wäre, wenn sie sich jemanden sucht, der ihren Horizont erweitert. Das liegt ja nicht an den Grünen zu entscheiden und es wird auch wahrscheinlich keine Koalition zustande kommen, wenn es nur darum geht Posten zu verteilen. Es muss schon substanziell etwas passieren. Ich persönlich würde es begrüßen – wenn die Inhalte stimmen: Weil ich gerne eine Änderung sehen möchte und weil ich gerne grüne Werte in der Politik spüren möchte. 

In welchen Bereichen könnte es denn schwierig werden mit der ÖVP?
Wiener: Das sind die alten Themen, natürlich. Die Frage der Migration, der Kinder- und Altersarmut und die Frage der öko­sozialen Gerechtigkeit. Was tun gegen die Klimakrise? Wir sind hier Schlusslicht und zahlen möglicherweise Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Geh bitte, die kann man doch in den Klimaschutz investieren! Es gibt also schon so ein paar Bereiche, wo hier Klientelpolitik einer Politik für alle, für die ganze Gesellschaft gegenübersteht. Da werden wir sehen, was rauskommt. Mit irgendjemandem wird Kurz koalieren müssen und das wird spannend.

Wer muss sich denn bei den Verhandlungen aus Ihrer Sicht mehr bewegen?
Wiener: Weder die ÖVP noch die Grünen können ihre Werte so verraten, dass man sie nicht mehr erkennt. Ich glaube aber, dass die ÖVP gut beraten wäre, wenn sie unsere existenziellen Probleme, also den Klimawandel, ernsthaft angeht und da haben einfach die Grünen die größte Kompetenz. Wir stehen ja am Abgrund. Unsere Ressourcen sind endlich  und wir haben immer mehr Probleme. Das ist ja keine ideologische Frage mehr, sondern eine Vernunftsfrage. Und ich glaube, dass Herr  Kurz – das ist jetzt mein Blick in die Glaskugel  – ökologisch sinnvolle Maßnahmen setzen wird müssen und wenn die dann im Volk nicht so gut ankommen, dann kann man noch immer sagen: „Das waren die bösen Grünen.“ Kann also sein, dass wir als Buhmann herhalten müssen. Aber am Ende wird es so sein, ob mit den Grünen oder nicht, dass etwas in der Klimapolitik passieren muss und da täte er gut daran, wenn er sich die Kompetenz von den Leuten holt, die sie schon seit Jahrzehnten haben. 

Sind Sie prinzipiell dafür, dass die Grünen in eine Regierung gehen?
Wiener: Ich habe festgestellt, dass ich eher ein Realo als ein Fundi bin. Und jetzt bin ich auch noch in der Politik – da will man natürlich auch, dass etwas weitergeht. Klar könnte ich sagen, dass ich für die reine Lehre bin und alles andere Mist ist und deswegen wäre ich nicht zuständig. Aber das bin ich auch als Unternehmerin nicht. Ich bin jemand, der gerne Sachen anpackt und sagt: „Komm, wir brauchen eine andere Kommunikation, eine andere Politik. Lass uns doch gemeinsam etwas machen.“ Ich sehe auch die anderen Fraktionen weniger als Gegner, denn als Partner für die Gesellschaft.  
 
Würde eine Koalition mit Sebastian Kurz Ihrer Meinung nach funktionieren?
Wiener: Wenn es nach mir ginge, hätten wir einen grün-grünen Bundeskanzler oder zumindest einen grün-roten, das dürfte niemanden verwundern. Ich weiß einfach nicht, wofür Sebastian Kurz steht. Von ihm kommen immer nur so schöne Worthülsen, die niemandem wehtun. Sein großes Schlagwort ist „Veränderung“, aber was meint er damit? Das ist alles ein bisschen dünn für einen Bundeskanzler.  
 
Sie haben sich als „Anpackerin“ bezeichnet. Würden Sie für ein Ministeramt zur Verfügung stehen, wenn Sie gefragt werden?
Wiener: Es gibt ein Amt, das Landwirtschaftsministerium, wo ich nicht Nein sagen würde. Aber es gibt ein paar ganz tolle österreichische PolitikerInnen, etwa Irmi  Salzer oder Olga Voglauer von den Grünen, die wirklich firm sind in dem Bereich. Da braucht es mich nicht. Ich kümmere mich einmal weiter um die EU. 
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