Aufstand der Frauen

Sexismus in der Politik regt weiter auf

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Die #metoo-Debatte ist nach wie vor eine brandaktuelle: Sexismus in der Politik macht auch vor den mächtigsten Frauen nicht halt. Doch die wehren sich jetzt gegen verbale Entgleisungen, wie jene von Efgani Dönmez. #solidarität

Ein bisschen hatte der erste Plenartag nach der Sommerpause etwas von erstem Schultag für Efgani Dönmez (41). Der Nationalratsabgeordnete musste sich erst den Sessel suchen, auf dem er Platz nehmen durfte. Nummer 167.  Zu verdanken hat Dönmez seinen neuen Platz – ganz nah an der FPÖ-Fraktion – dem Rausschmiss bei der ÖVP. Den hat der Ober­österreicher selbst verschuldet, mit einem sexistischen Tweet, der in den vergangenen Wochen für helle Aufregung sorgte – über Österreichs Grenzen hinaus. 
 
Über „Knie“ gestolpert. „Schau dir mal ihre Knie an“, antwortete er Anfang September lapidar einem Twitter-User, der die Frage aufgeworfen hatte, wie es die deutsche SPD-Politikerin Sawsan Chebli zur Staatssekretärin gebracht habe. So manchen ließ die rasch viral gegangene Anspielung, versehen mit einem Zwinker-Smiley, ratlos zurück. Andere entlarvten den Tweet sofort als Alte-weiße-Männer-Humor für: Sie hat ihre Karriere sexuellen Gefälligkeiten – vulgo Blowjob – zu verdanken.  Es dauerte nur wenige Stunden, bis die Wogen hochgingen und zwar bis nach Deutschland. Wirft der pietätlose Vorwurf doch unter anderem die Frage auf, wer noch Teil dieser „sexuellen Gefälligkeiten“ war. Und Chebli war nun einmal ausgerechnet – und zu Dönmez’ Pech – die Pressesprecherin vom heutigen deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Justizministerin Katharina Barley (SPD) legte dem Österreicher umgehend den Rücktritt nahe. Das taten dann auch die Frauen seiner eigenen Fraktion: „Es wäre sehr anständig, wenn er von sich aus als Mandatar des Hohen Hauses die Konsequenzen zieht“, erklärte ÖVP-Frauenvorsitzende Dorothea Schittenhelm.
 
Frauenaufstand gegen Dönmez. Dönmez rudert zurück: Er sei missverstanden worden („Mit Sexismus hatte dieser Tweet nichts zu tun“). Schließlich gab ÖVP-Chef Sebastian Kurz dem wachsenden Druck nach und kickte Dönmez aus dem ÖVP-Klub. Das Parlament aber kann der erneut Parteilose – früher war der 41-Jährige Bundesrat für die Grünen, fiel aber auch dort wegen sexistischer Kommentare in Ungnade – als gewählter Mandatar freilich nur aus freien Stücken verlassen.
Das legen ihm nun auch etliche Polit-Kolleginnen nahe. So erklärt Ex-Frauenministerin und SPÖ-Parlamentarierin ­Gabriele Heinisch-Hosek in MADONNA: „Wer so über Frauen spricht, hat in der Politik nichts verloren! Auch der Bundeskanzler ist gefordert, konkret Stellung zu beziehen.“ Hart geht auch Martha Bißmann mit Dönmez ins Gericht, sie ist nach ihrem Ausschluss bei der Liste Pilz neben ihm die einzige andere freie Abgeordnete im Parlament. Für Bißmann ist Dönmez’ Aussage „nicht entschuldbar“. Sie sagt: „Das ist eine Entgleisung, die sich ein Abgeordneter nicht erlauben darf.“ Die ÖVP habe – zu ihrer „Überraschung“ – zwar richtig gehandelt, doch: „Ich finde, jetzt sollte auch er die Konsequenzen mit einem Rücktritt ziehen“, so Bißmann. 
 
Rücktritt? Auch von höchster Stelle in Sachen Frauenagenden gibt es Tadel für den „wilden“ Abgeordneten: „Eine Entgleisung, die es einfach nicht geben darf“, ärgert sich Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) gegenüber MADONNA (siehe Interview unten) über den Tweet. „Wenn man in einer politischen Funktion ist, dann hat man Vorbildwirkung, und dessen muss man sich schon bewusst sein.“ Sie legt Dönmez nahe, „über Konsequenzen“ nachzudenken. Doch nicht nur ihm – auch Peter Pilz habe sich, der Frauenministerin zufolge, eigentlich Gedanken über einen Rückzug zu machen. Denn: Bei Dönmez endet sexistisches Verhalten im Hohen Haus noch lange nicht. Erst stolperte Parteigründer Pilz beinahe über Vorwürfe der sexuellen Belästigung – das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt. Dann war da auch noch der schockierende Zwischenfall mit Alma Zadic: Die Abgeordnete der Liste Pilz hatte bei ihrer Rede zum Thema BVT-Affäre im Juni mit einer Flut an sexistischen („Alma, bei mir bist du sicher!“) und rassistischen („Sie sind nicht in Bosnien!“) Zwischenrufen aus der türkis-blauen Ecke zu kämpfen. 
 
Grenzen. Derartiges Verhalten habe in dieser Legislaturperiode wieder zugenommen, schildert die langjährige Parlamentarierin Heinisch-Hosek: „Seit dieser Regierung, und die ist noch nicht so lange im Amt, spüre ich, dass wir uns alle abgewöhnt haben, der Würde des Hauses entsprechend, respektvoll miteinander umzugehen.“ Schon unter Schwarz-Blau ab 2000 sei es immer wieder vorgekommen, dass männliche Kollegen sich mit den Händen in den Hosentaschen vorne hingestellt und dazwischengerufen hätten, wenn Frauen am Rednerpult waren.  „Diese sexistischen, klischeehaften bis hin zu einschüchternden Rufe, die gab es früher, und die beginnen jetzt leider wieder“, meint die SPÖ-Frauenchefin damals zum Zwischenfall mit Zadic.
Die Betroffene sieht das ganz ähnlich. Es sei aber wichtig, eine Diskussion darüber zu führen, erklärt die Juristin: „Nur wenn wir aufstehen und uns wehren, wird auch eine Grenze etabliert. Tun wir das nicht, wird sie immer wieder überschritten und die Überschreitungen werden normalisiert“, erklärte Zadic damals. „Es ist wichtig aufzuzeigen: ‚Nein, so ein Kommentar geht zu weit!‘ Da appelliere ich auch sehr stark an die Nationalratspräsidenten, darauf zu achten.“  
 
Anlaufstelle. Tatsächlich hatten die Nationalratspräsidenten – konkret Kurzzeit-Parlaments-Chefin Elisabeth Köstinger (ÖVP), weitergeführt von Nachfolger Wolfgang Sobotka (ÖVP, dem aktuellen Präsidenten) – einen Plan, wie man gegen überhandnehmenden Sexismus vorgehen könne: Anfang des Jahres nahm die von Köstinger initiierte Clearingstelle für sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch im Parlament (so der etwas sperrige Name) ihre Arbeit auf.  Passiert ist seither allerdings nicht viel und damit macht sich die türkis-blaue Koalition dieser Tage einen neuen Streit mit der Opposition auf. 
 
Heinisch-Hosek forderte am Dienstag von Nationalratspräsident Sobotka eine Aussprache mit allen Frauensprecherinnen der Klubs, wie es mit der Clearing-Stelle weitergehen soll. Denn: Laut einer Anfragebeantwortung lägen die Kosten für das Konzept bei 57.000 Euro und die bisherigen Ausgaben für den laufenden Betrieb bei 11.000 Euro. Dem stünden null Meldungen bei der Einrichtung gegenüber, ärgert sich die rote Frauenchefin. 
 
Selbst disqualifiziert. Obwohl es also laufend Klagen über sexistische Übergriffe im Parlamentsbetrieb gibt und offensichtlich Rufe nach der Einrichtung einer solchen Anlaufstelle für Betroffene laut wurden, hat sich keine einzige Parlamentsmitarbeiterin dort hingewandt. Das mag daran liegen, dass die „#metoo-Stelle“ im Hohen Haus bloß aus einer Telefonnummer und einer Adresse besteht. Sie verfügt über keine eigene Infrastruktur, keine Räume und kein Personal, wie das Parlament diese Woche bestätigt. Nach zwei ­externen Beratern – einem Mann und einer Frau – würde nach wie vor gesucht. 
 
Eine andere mögliche Erklärung hatte vergangenes Wochenende die Twitteria parat:  Just jene Frau, die für den Aufbau der Clearingstelle zuständig war, Psychologin Christine Bauer-Jelinek, sorgte bei einer „Im Zentrum“-Diskussion auf ORF 2 zu Sexismus mit ihren Aussagen für Empörung. So erklärte sie etwa, man könne „mit Sex auch einiges erreichen“. Ohnehin handle es sich bei vielem, was da unter sexueller Belästigung firmiere, nur um „Alltagsblödelei“. Dass die bekannte Buch­autorin dann auch noch das „elegante Abwehren von unerwünschten Berührungen“ – wenn es sich dabei um „bloßes Alltagsverhalten“ handle – als Tipp ausgab, sorgte in den sozialen Medien für einen Aufschrei. Eine Neos-Parlamentsmitarbeiterin brachte es auf Twitter dann folgendermaßen auf den Punkt: „Bauer-Jelinek ist übrigens diejenige, an die wir uns wenden sollen, wenn uns im Parlament was passiert. Ich würde in 100 Jahren nicht zu dieser Clearingstelle gehen.“
 
 

Juliane Bogner-Strauß über Dönmez

 

„Wäre feiner Zug, wenn er Mandat zurücklegt“

Juliane Bogner-Strauß
© Bogner-Strauß
Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) findet im MADONNA-Talk deutliche Worte, wenn es um die Causa Dönmez geht. „Das ist eine Entgleisung, die es einfach nicht geben darf.“ Sie legt ihm deshalb nahe, sein Mandat zurückzulegen – und Peter Pilz gleich mit. 
 
Als Frauenministerin: Was haben Sie sich gedacht, als Sie den Tweet von Efgani Dönmez, damals noch Abgeordneter Ihrer Partei, gesehen haben? 
Juliane Bogner-Strauß: Dass es wirklich eine Entgleisung ist, die es einfach nicht geben darf. Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich manche noch solche Ausrutscher erlauben.
 
Warum hat der Tweet so aufgeregt?
Bogner-Strauß: Gegenfrage: Welche Frau hat dieser Tweet nicht aufgeregt? Wir müssen achtsam sein mit unserer Sprache und uns an Werte halten. 
 
Soll er sein Mandat zurücklegen? 
Bogner-Strauß: Wir als Partei haben die Konsequenzen gezogen. Und ob er jetzt sein Mandat zurücklegt: Das wäre natürlich ein feiner Zug von ihm, ist aber seine Entscheidung. Man muss auch ganz klar dazusagen, das ist nicht der einzige Fall, der zu hinterfragen ist. Schauen wir uns Peter Pilz an. Wenn man in einer politischen Funktion ist, dann hat man Verantwortung und Vorbildwirkung und dessen muss man sich schon bewusst sein. Deswegen muss ich ganz ehrlich sagen, sowohl Pilz als auch Dönmez sollten darüber nachdenken, die Konsequenzen für sich selbst zu ziehen.
 
Braucht es einen Verhaltenskodex für Parlamentarier?
Bogner-Strauß: Man braucht nicht für alles einen Kodex oder ein Verbot. Ich finde, man muss sich einfach dementsprechend verhalten. Als Frauenministerin erwarte ich mir, dass solche Dinge einfach nicht gesagt werden.
 
Gerade in sozialen Medien sind solche Kommentare aber ein großes Problem – siehe etwa der Fall Sigi Maurer. Braucht es für die Opfer von Sexismus im Netz nicht rechtliche Instrumente, um sich zu wehren?
Bogner-Strauß: Ich bleibe dabei: Jeder muss sich selbst an der Nase nehmen, wir sollten in einer Gesellschaft leben, in der wir einander tolerieren. Wir werden uns das in der Strafrechts-Task-Force, die gerade läuft, aber ganz genau ansehen, ob hier eine Verschärfung notwendig ist oder nicht. Schauen wir einmal, was bei dieser Arbeitsgruppe herauskommt.

 

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