Happiness-Formel

Ländervergleich: Was bedeutet eigentlich Glück?

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Wo geht es hier zum Glück? Eine Frage, die immerwährendes Interesse nach sich zieht und von Norwegen bis Hawaii anders beantwortet wird.  Ein neues Buch nimmt uns mit auf Entdeckungsreise zu dem schönsten Gefühl der Welt.

In einer Welt Tausender Sprachen und Dialekte gibt es selbstverständlich auch unzählige Worte und Ausdrücke für Verständnis von Glück. Und während man sich oft genug auf die eine bestimmte Formel für ein gutes Leben versteift, bietet der globale Wortschatz verschiedenste „unübersetzbare“ Zugänge, die alle zu einem glücklicheren Leben führen. Der aktuell erschienene „Atlas of Happiness“ von Megan Hayes führt wie ein roter Faden auf der Reise ins Glück und beschert uns mit inspirierenden Nuancen und lautmalerischen Begriffen neuen Gefühlsreichtum.    
 

Prostor
Nomen | Russisch

Offener Raum, Weite, Spielraum, Freiheit 
Prostor verbirgt eine Sehnsucht nach weiten Ebenen und ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir häufig äußere Landschaften metaphorisch mit unserem Inneren verbinden.   Dem zugehörig ist Duscha, das russische Wort für Seele und Geist. Die Weite unserer Seele spiegelt sich als Prostor im ­Außen wieder und dieser Moment, der inneren und äußeren Harmonie kann sich tief bewegend anfühlen. Abgesehen von beeindruckenden Weiten lässt sich Prostor aber auch in kleinen Räumen verspüren, zum Beispiel, wenn uns ein tolles Buch das Gefühl von innerer Freiheit vermittelt.

Waldeinsamkeit
Nomen | Deutsch

Das Gefühl, ganz allein im Wald zu sein.
Wer erinnert sich nicht gern an das Klettern in sonnengesprenkelten Bäumen, den Geruch moosiger Baumstümpfe und das Herumtollen im goldenen Herbstlaub? Nur ein Waldspaziergang kann dieses ­Gefühl von Unschuld, Neugierde und stiller Ehrfurcht hervorrufen. All dies spiegelt der poetische Begriff der Waldeinsamkeit wider. Obwohl das Wort sich ­melancholisch anmutet, hat es einen positiveren und lebensbejahenderen Charakter als die durchschnittliche Einsamkeit. Es ist das Gefühl, durch das wir ruhig und ­fokussiert genug sind, um unsere tiefe Naturverbundenheit zu spüren. Die Japaner haben einen ähnlichen Begriff dafür: Shinrin-yoku oder „Waldbaden“.  

Gunnen
Verb | Niederländisch  

Jemandem etwas gönnen, sich über den
Erfolg eines anderen freuen.

Als krasses Gegenteil zu Neid und Missgunst steht das niederländische Wort gunnen, also jemandem eine positive Erfahrung zu gönnen, selbst wenn einem das Gleiche verwehrt ist. In Anlehnung an den „Vertrauensvorschuss“ beschreibt es ein vertrauensvolles, wohltätiges und vielleicht manchmal sogar selbstaufopferndes Handeln. Psychologischen Studien zufolge kann die selbst erfahrene Freundlichkeit seitens einer anderen Person die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir uns wiederum anderen gegenüber freundlicher verhalten – so entsteht durch gunnen ein Dominoeffekt. Win-Win für alle!   
 
Lime
Verb | Trinidadisch-kreolisch

Mit Freunden feiern oder chillen; die Kunst des Rumhängens und Entspannens
Easy-going und relaxed – Inbegriffe des karibischen Lebensstils. Abgefangen wird dies von dem Wort liming, das man auf Trinidad und Tobago täglich unter Freunden hört. Zwar hat es Gemeinsamkeiten mit dem gängigen „Chillen“, jedoch mehr als das – denn in der Karibik ist das Limen eine elementar gesellschaftliche „Aktivität“. Das Limen hat dabei keinen besonderen Sinn, es geht darum, gemeinsam zu essen, zu trinken und einfach nur zu sein. Der Ursprung des Wortes ist umstritten, aber eine klassische Erklärung ist, dass es einfach nichts Dringlicheres gibt, als unter einem Limettenbaum zu entspannen.

Sisu
Nomen | Finnisch

Willensstärke, Mut, Entschlossenheit
Einige Kulturen besitzen ein Wort, das sie so ernst nehmen, dass es fast etwas von ­einem nationalen Wahrzeichen hat. Für die Finnen ist Sisu so ein Wort. Es gilt gemeinhin bezeichnend für die Finnen und ihre Art zu leben und beschwert auch in schwierigen Zeiten ein mit leidenschaftlicher Tapferkeit geführtes Leben herauf. Es ist insofern mit dem englischen Ausdruck  vergleichbar, dass jemand guts (also „Eingeweide“) hat, also tapfer ist. Sisu bedeutet im Finnischen wörtlich „Innereien“ und versinnbildlicht das Durchhaltevermögen, das nicht von einer externen Quelle, sondern aus dem Tiefsten unseres Selbst stammt, auf das wir in Krisen zurückgreifen können.  

Mentsch
Nomen | Jiddisch

1. Ein Mensch
2. Eine ehrenwerte Person

Ist jemand ein Mentsch, ist er eine bedauerns- und bewundernswerte Person, der andere vertrauen und die respektiert wird. Dazu kann gehören, dass man gerecht, mitfühlend und großzügig ist oder jemand, dem andere nacheifern – „ein runder Charakter“, der begeistert nicht dafür, was er ist, sondern wer er ist.

Solarfri
Nomen | Isländisch

Ein unverhoffter freier Tag, weil das Wetter so schön ist.
Die Sonne scheint, keine Wolke steht am Himmel ... und man muss zur Arbeit. Wäre es nicht schön, wenn das Wetter dazu einlädt, den Tag mit vollstem Verständnis des Arbeitgebers an der frischen Luft zu verbringen? Was hierzulande absurde Fantasievorstellung scheint, ist in Island Realität. Solafri bedeutet wörtlich übersetzt „sonnenfrei“ und scheint in einem von subarktischem Klima und dementsprechend unvorhersehbarem Wetter geprägtem Land recht sinnvoll. Gleichzeitig drückt es einen gewissen Einfallsreichtum aus, der für die Isländer charakteristisch ist. Sie sind ein Volk, das seine Umwelt versteht und wertschätzt, das aber auch weiß, wie es diese zu seinem Vorteil nutzen kann. Vielleicht mitunter ein Grund, warum die Isländer trotz weniger Sonnenstunden zu einer der glücklichsten Nationen der Welt gehören. 

Mañana
[span.] 1. Morgen. 2. Eine unbestimmte Zeit in der Zukunft.

Man könnte das spanische Wort als die Kunst bezeichnen, Dinge auf später zu verschieben. Bestimmt hat es etwas mit der positiv-entspannten nationalen Lebensphilosophie zu tun, die lehren kann, dass nur sehr wenige Dinge des Lebens wirklich sofort erledigt werden müssen.   
Tipp: Nehmen Sie sich ein Beispiel und verschieben Sie ab und zu mal was auf „­mañana“. Wenn der ferne Zeitpunkt letztendlich da ist, stellen Sie vielleicht fest, dass es gar nicht so wichtig war, wie Sie dachten.

Serendipity
[engl.] Eine glückliche Fügung
Fast jeder hat schon mal einen glücklichen Zufall erlebt – in diesen seltenen, aber wundervollen Momenten geschehen ­Dinge, die man niemals hätte planen ­können. Möglicherweise verpassen Sie den Zug, nur um in einem späteren auf ­einen ganz großartigen Menschen zu treffen. Momente, die man als „serendipitous“  bezeichnet, geben einem immer ein ­Gefühl von Schicksalsträchtigkeit.
Tipps: Denken Sie zurück an Momente in Ihrem Leben, in denen es schien, als sei
etwas genau vorherbestimmt gewesen. Auch wenn Sie sie nicht direkt herbeiführen können, haben Sie nun ein Wort dafür!

Whimsy
[engl.] Verspielt-wunderliches Benehmen oder skurriler Humor.
„Whimsical“ bedeutet „unbeschwert“, „ungezwungen“ und vielleicht auch „sinnlos“ – wie zum Beispiel die bunte Einrichtung eines Teeladens, in dem scheinbar nichts zusammenpasst. Da der Großteil unseres Lebens von Struktur und   starren Rastern geprägt scheint, kann eine gewisse Exzentrik ungewohnte  Freude bringen.
Tipp: Seien Sie albern, ­leben Sie ein vermeintlich sonderbares Faible aus, stürzen Sie sich in versponnene Gedanken – allein lediglich aus dem Grund, dass es beglückend wirkt.

Ländervergleich: Was bedeutet eigentlich Glück?
© oe24

Megan Hayes erläutert und Yelena Bryksenkova illustriert im "Atlas of Happiness"
die bunte Welt des Glücks. Vom gemütlichen und wohligen Hygge der Dänen bis zu Kefi, der hemmungslosen Lebenslust der Griechen – anhand von 50 Begriffen aus bekannten Sprachen aber auch unbekannten Dialekten nehmen uns die Autorin und die Illustratorin des Buches auf eine Reise ins Wohlbefinden mit. Erschienen bei Knesebeck, um 16,50 Euro.


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