Die Friseuse

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Es ist dieses riesige Hinterteil, das man unweigerlich anstarren muss. Es ist dieses quietschgrüne Kleid, das in den Augen schmerzt. Es sind die Ohrringe aus Plastik-Kirschen und die bunten Haare, über die man lacht. Aber es ist vor allem ihr Lebenswille und ihre Fröhlichkeit, die ihr die Berechtigung einer Hauptfigur geben: Doris Dörries "Friseuse" ist eine starke Frau - in doppelter Hinsicht.

Hauptdarstellerin Gabriela Maria Schmeide ("Halbe Treppe") schlüpfte zum Dickwerden in einen Spezialanzug. Für die Nacktszenen gab es ein Double, das bei der Premiere auf der Berlinale das Publikum raunen ließ. Dörrie greift nach dem melancholischen Film "Kirschblüten - Hanami" nun eine Episode aus dem Leben ihrer Friseurin Kathleen Cieplik auf. Der molligen Berlinerin wurde einst am Telefon ein Arbeitsplatz zugesichert, den sie aber nicht bekam, als sie ihre Unterlagen in den Friseursalon brachte. Die Chefin begründete das so: "Unser Beruf ist ein ästhetischer. Und Sie sind nicht ästhetisch."

Dies ist die Schlüsselszene des Films geworden. Auf der Berlinale wurde die Komödie umjubelt, auch wenn sie ein nicht ganz so großer Wurf geworden ist wie die "Kirschblüten". Nach Japan ist nun das Plattenbauviertel Berlin-Marzahn die Kulisse - das hier einmal nicht ganz so trist aussieht wie in vielen anderen Filmen.

Etliche Regisseure und Autoren haben sich schon mit dem Thema "Eine Dicke boxt sich durch" befasst. Auch Dörries' Heldin Kathi König, die der echten Friseuse nachempfunden ist, nimmt die Diskriminierung nicht hin. Sie kramt unbändigen Elan und Energie selbst in den Momenten hervor, wenn sie ganz unten ist. Arbeitslos, vom Ehemann verlassen, von der Tochter (in ihrer ersten Rolle: Natascha Lawiszus) verschmäht, von den Menschen belächelt, will sie einen eigenen Friseursalon eröffnen. Und das auch noch genau neben dem Laden, der sie nicht einstellen will, geführt von einer intriganten Chefin (Maren Kroymann).

Da Banken und Arbeitsamt Kathi nicht unterstützen, lässt sie sich auf den halbseidenen Joe (Rolf Zacher) ein, der ihr Geld für einen Fahrdienst über die polnische Grenze bezahlt. Die beiden bringen 20 Vietnamesen nach Deutschland, Kathi muss zehn der illegalen Einwanderer in ihrer Wohnung verstecken. Und so schlittert sie von einer Katastrophe in die nächste. Sie verliebt sich in den verheirateten Vietnamesen Tien (Ill-Young Kim), bekommt am Tag der langersehnten Eröffnung ihres Salons Besuch von der Berufsgenossenschaft und wird zudem noch krank.

Dörrie war so begeistert von dem Stoff und dem Vorbild, dass sie erstmals ein Drehbuch verfilmte, das nicht aus ihrer eigenen Feder stammt. Autorin Laila Stieler ("Die Polizistin") zeichnete eine authentische und feinfühlige Geschichte einer so liebenswerten Frau, die für ihr persönliches, kleines Glück, einen Job als Friseurin, mit fast übermenschlicher Kraft kämpft.

Die Geschichte ist einerseits unterhaltsam und leicht. Man darf lachen. Dann ist sie auch noch spannend, weil Kathis Leben eine einzige Aneinanderreihung unglücklicher Umstände zu sein scheint. Doch ist der Film in den richtigen Momenten nüchtern und langsam genug, um aufzuzeigen, wie demütigend die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nicht einem idealisierten Bild entsprechen. Neu ist diese Erkenntnis freilich nicht.

Kathi König ist ein Mensch, den der Kinozuschauer auf den ersten Blick nicht respektieren mag. Denn sie fällt auf der Straße zu sehr mit ihrer Fülle, ihren Klamotten, ihrer bunten Haarpracht auf. Und sie eckt mit ihrer frechen Klappe an. Man möchte mit den Augen rollen oder kichern. "Aber dann kommt der Moment, nach dem jede Beleidigung als Verletzung mitempfunden wird. Und dann vergisst man auch, worüber man am Anfang gelacht hat, nämlich ihren Umfang", sagte Dörrie der dpa.

Die Regisseurin zeigt ihre Hauptfigur auch in schwachen Momenten. Wenn sie angestarrt wird. Wenn ihre Fülle ihre Bewegungen einschränkt und sie sich nur mit Hilfe eines Seils, an dem sie sich hochzieht, aus dem Bett erheben kann. Und als Kathi König krank wird, muss sie in die Tierklinik. Denn dort ist der Computertomograph groß genug für sie. "Das ist komisch, aber das ist auch so gemein", beschreibt Dörrie diese Szene. "Der Zuschauer muss zwar darüber lachen, aber dann merkt er immer schmerzlicher, was das bedeutet."

Das ist der Moment, an dem es "Klick" macht beim Zuschauer. Man will wie diese Frau sein: So fröhlich, so würdevoll und vor allem so stark. Man möchte sich in den Friseurstuhl der fröhlich plappernden Kathi König setzen und mit ihr quatschen. "Sagen Sie es Ihrer Friseuse, wenn es Ihnen gefallen hat", rief Dörrie dem Premierenpublikum zu.

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