"Jud Süß"-Film enttäuschte auf der Berlinale

Teilen

Die Reaktionen bei der ersten Vorführung in Berlin waren heftig, der Wettbewerbsbeitrag der 60. Berlinale aber auch tatsächlich nur schwer als einer der 20 herausragenden Filme des Frühjahrs 2010 erkennbar. "Jud Süß - Film ohne Gewissen" von Oskar Roehler, ein Film über die Entstehung des üblen Nazi-Propagandawerks aus dem Jahr 1940 von Veit Harlan, wurde mit großer Spannung erwartet.

Doch der teils satirische, teils geschmacklose Zugang des zwischen Film Noir, Trash und Melodram angesiedelten Streifens sorgte für wenig Begeisterung. Roehler besetzte einen hölzernen Tobias Moretti mit der Hauptrolle des Ferdinand Marian, eines von der NS-Macht verführten und zwischen Ruhm und Gewissen zerrissenen Schauspielers, der sich selber doch viel lieber als Vorstadt-Casanova denn als Vorzeigedarsteller der Nazis sah. In die Rolle von Propagandaminister Joseph Goebbels schlüpfte Moritz Bleibtreu, der den Massenmörder mit bewusst clownesken Zügen versah: "Unsere Spitzenhonorare sind steuerfrei", lockt er als Goebbels, "diese Rolle macht Sie weltberühmt."

Dass Marian den Verlockungen erliegt, wird er sich selbst irgendwann nicht mehr verzeihen können. Schon vor seiner Frau (gespielt von Martina Gedeck) und seinem ehemaligen Schauspiel-Kollegen Adolf Wilhelm Deutscher (Heribert Sasse) kann er sein Engagement nicht wirklich rechtfertigen; dass beide später deportiert werden, gibt seinem schlechten Gefühl ein reales Gesicht. Dabei wurde Marian mit "Jud Süß" beim Filmfestival in Venedig gefeiert - doch die anschließende Werbetour und das schlechte Gewissen ersäuft er im Alkohol.

Nach Kriegsende endet der Prozess gegen Harlan - "des Teufels Regisseur" - mit einem Freispruch. Marian verliert jeden Halt. Der Schauspieler stirbt 1946 unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall. Dass weder der gezeigte Tod noch etwa die Tatsache, dass Marians Frau im Film mit jüdischen Wurzeln ausgestattet ist, mit den überlieferten Tatsachen übereinstimmen, ist für Roehler kein größeres Problem, schließlich handle es sich bei "Jud Süß - Film ohne Gewissen" um einen Spielfilm und keine Doku, wie er bei der Pressekonferenz sagte.

Doch auch als Spielfilm, immer wieder versetzt mit nachgedrehten und originalen Szenen des "verwerflichsten Werks der Filmgeschichte", geht die österreichisch-deutsche Koproduktion am Ende nicht auf. Die Löcher in der Dramaturgie (vor allem im zweiten Teil) sind schwer nachvollziehbar, einzelne Szenen wie jene mit einem kurzen Auftritt von Gudrun Landgrebe sind völlig daneben, und das Ende wirkt wie loses Flickwerk. Dass Roehler angeblich bereits einen Film über den Aufstieg Goebbels' plant, verheißt leider nichts Gutes.

Der Film soll im Herbst in den österreichischen Kinos anlaufen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo