Die Spannung am Lido steigt

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Die Spannung am Lido steigt. An welche Filme und an welche Schauspieler vergibt die siebenköpfige Jury des Festivals von Venedig die begehrten Goldenen Löwen?

Die Bandbreite der Sujets war ordentlich, die Zahl der Filme im Wettbewerb mit 25 eindeutig zu hoch. Und einige Streifen kamen kaum über das Mittelmaß hinaus. Als 25. und damit letzter Film ging am Freitag das Erstlingswerk "A Single Man" des Ex-Gucci-Modedesigners Tom Ford ins Rennen um den Goldenen Löwen. Der Romanautor Christopher Isherwood lieferte Ford die Vorlage für das Drama um den schwulen College-Professor George (Colin Firth), der über den Tod seines Partners nicht hinwegkommt. Das Thema könnte dem Jury-Präsidenten Ang Lee gefallen, der just am Lido eine Trophäe für seinen Western "Brokeback Mountain" um zwei schwule Cowboys erhalten hatte. Faszinierender als "A Single Man" war zum Ende des Festivals allerdings die Meditation "Mr. Nobody" des Belgiers Jaco Van Dormael über Wechselfälle und Weichenstellungen des Lebens.

Einen tiefen Eindruck hinterließ am Lido auch die Österreicherin Jessica Hausner, die in ihrem ebenso ruhigen wie eindringlichen Film "Lourdes" das Pilger-Business an der Marien-Wallfahrtsstätte in den französischen Pyrenäen unter die Lupe nimmt. Gleiches gilt für den US-Film "The Road", in dem der gebürtige Australier John Hillcoat vor dem Hintergrund eines mysteriösen Natur-Supergaus einfühlsam die Enge einer Vater-Sohn-Beziehung beschreibt. Auch die deutsche Produktion "Women Without Men" der iranischen Künstlerin Shirin Neshat über das Los von vier Frauen in Teheran wahrt, nicht zuletzt auch angesichts der aktuellen politischen Wirren im Iran, die Chance auf einen Preis.

Jetzt wartet Venedig auf die Preis-Gala. Bemerkenswert am Jahrgang 2009 des Festivals der Lagunenstadt: Gleich zwei Komödien sind unter den Favoriten - und das in Venedig, das sich ansonsten den Ruf gönnt, doch eher schwierige und komplizierte Werke hochzuhalten. Da ist zum einen die Komödie "Soul Kitchen", mit der Fatih Akin ein für ihn ungewöhnliches Terrain betreten und sofort überzeugt hat. Die Liebeserklärung an sein Hamburg hatte die Lacher auf ihrer Seite. Das gilt indessen nahezu noch mehr für "Life During Wartime" des Amerikaners Todd Solondz, der mit leichter Hand und fantastischem Drehbuch in seiner schwarzen Komödie alle Untiefen in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern - und unter Menschen überhaupt - auslotet.

Werner Herzog hätte eine erhöhte Gewinnchance, wenn es sich um eine Lotterie handelte: Festivaldirektor Marco Müller hatte es sich nicht nehmen lassen, gleich zwei Filme des geschätzten Regisseurs mit den bayerischen Wurzeln in den 66. Wettbewerb zu schicken. Aussichten auf einen Preis werden seinem rasanten und skurrilen Film Noir "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans" mit Nicolas Cage zugeschrieben - mehr als dem Drama "My Son, My Son, What Have Ye Done?", in dem ein Besessener seine Mutter ganz im Stil der griechischen Mythologie umbringt. Ob Herzog für einen Preis gut ist, hängt auch von dieser Frage ab: Empfindet es die Jury als unbotmäßigen Druck des Direktors, ihr gleich zwei Herzog-Streifen im Wettbewerb vorgeführt zu haben?

Politische Filme, Krieg und Horror setzten am Lido stärkere Akzente. Das unterstreicht die erfreuliche Vielfalt im Programm 2009 und diese ist bei 25 Streifen (vier mehr als im Vorjahr) ja auch viel leichter herzustellen. Wie selbstverständlich scheint dabei Michael Moore für seine Abrechnung mit dem US-Wirtschaftssystem "Capitalism: A Love Story" preisverdächtig zu sein. Weit stärkeren Nachhall erzeugte aber der israelische Anti-Kriegsfilm "Libanon", in dem Regisseur Samuel Maoz das ganze Grauen der Gewalt aus Sicht einer blutjungen Panzerbesatzung zeigt, die gar nicht ins Feld ziehen will.

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