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Wer immer Ja sagt, gerät leicht in Situationen, die nicht guttun. Doch warum ist das Nein-Sagen so schwer? Und wie gelingt es?  

Der französische Dramatiker Nicolas Chamfort (1741 bis 1794) sagte einst: "Die Fähigkeit, Nein zu sagen, ist der erste Schritt zur Freiheit." Leichter gesagt als getan. Grundsätzlich ist das wohl den meisten von uns bewusst, doch nur den wenigsten gelingt es, die eigenen Grenzen optimal zu wahren - sowohl privat als auch beruflich. Immer wieder sagen wir Ja zu Dingen, die wir eigentlich gar nicht tun wollen. Immer wieder geraten wir dadurch in Situationen, die uns eigentlich gar nicht guttun.

Nettigkeitsfalle Arbeitsplatz

Vor allem im Job kann es ganz besonders schwierig sein, Nein zu sagen. Zu groß ist oft die Sorge, "ausgetauscht" zu werden, sich beim Vorgesetzten unbeliebt zu machen, als miese Kollegin abgestempelt zu werden, eine tolle Gelegenheit zu verpassen oder gar einen wichtigen Kunden zu verlieren. Gerade im Berufsleben liegen existenzielle Bedürfnisse (finanzielle Absicherung) und persönliche Bedürfnisse (Wunsch nach persönlicher Entfaltung, Weiterentwicklung und Anerkennung) sehr nahe beieinander -eine durchaus heikle Ausgangslage. Viele von uns denken wohl: Wer am Arbeitsplatz immer fremde Wünsche erfüllt und die eigenen Bedürfnisse hintanstellt, der bekommt für sein Engagement und seine scheinbar unermüdliche Performance im Optimalfall auch etwas zurück: Anerkennung, Akzeptanz, Zugehörigkeit, Beliebtheit und damit in gewisser Weise auch eine Form der Absicherung. Doch ist das wirklich so?

Schattenseite des Ja-Sagens

Leider nein. Denn tatsächlich hat die (vermeintliche) Selbstlosigkeit auch ihre Tücken -es ist im Übrigen ganz gleich, ob es sich dabei ums Privat- oder Berufsleben handelt. Neueste Studien zeigen sogar, dass ständiges Ja-Sagen zu Burnout und Selbstwertproblemen führen kann. Denn wer immer nur Ja sagt, verleugnet sich am Ende des Tages selbst. Wer sich nicht abgrenzt, gerät in Stresssituationen. Dadurch erhöht sich der Cortisolspiegel im Körper; Krankheiten und psychische Probleme sind nicht selten die Folgen. Und trotzdem sagen viele von uns immer wieder Ja, obwohl sie eigentlich Nein meinen. Ja, warum denn eigentlich?

Psychologie des Ja-Sagens

Ein wesentlicher Aspekt ist wohl die Angst vor der Reaktion des Gegenübers. Was, wenn der andere sauer ist? Was, wenn wir den anderen enttäuschen oder sogar vor den Kopf stoßen? Viele Menschen haben in ihrer Kindheit nicht gelernt, eine solche Reaktion auszuhalten. Aus Angst vor Zurückweisung (und schlimmstenfalls Liebesentzug) sagen viele Menschen auch im Erwachsenenalter Ja -obwohl ihnen das Nein auf den Lippen brennt. Damit gehen sie Konflikten und Irritationen präventiv aus dem Weg. Zumindest kurzfristig scheint es wesentlich einfacher, Ja anstatt Nein zu sagen.

JA, WIR SAGEN NEIN!
© Getty Images
× JA, WIR SAGEN NEIN!

Das Nein, ein Ja zur eigenen Person

Auf dem Weg in die Freiheit sollten wir uns aber bewusst machen, dass ein Nein auf keinen Fall bedeutet, dass wir egoistisch sind, nur noch an uns selbst denken und andere Menschen abblitzen lassen. Wer immer Ja zu den Wünschen aller anderen sagt, sagt am Ende viel zu oft Nein zu den eigenen Bedürfnissen, zur eigenen Person. Die Folgen: Überlastung und Unzufriedenheit - keine gute Ausgangslage, um ehrlich, authentisch, mit ganzem Herzen und aus freien Stücken, ohne Verpflichtungsgefühl dahinter, für andere da zu sein. Denn schließlich kann nur, wer sich selbst gut fühlt, auch für andere da sein. Und genau dazu braucht es manchmal ein klares Nein, klare Prioritäten und damit klare Grenzen. Mit einem klaren Nein schaffen wir Raum für Dinge, die uns persönlich am Herzen liegen. Bedenken wir: Immer, wenn wir Ja etwa zu Überstunden sagen, sagen wir zugleich Nein zu Freizeit, Zeit für Familie, Freunde, Hobbys oder -so simpel es klingen mag -Erholung und Schlaf.

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Nett Nein sagen - so klappt es

Nein sagen will also definitiv gelernt sein - und zwar so, dass es sich nachher richtig, gut und vor allem authentisch anfühlt. Doch wo liegt nun die Grenze? Wann sagen wir Nein? Wann hören wir damit auf, zu nett zu sein? Und vor allem: Wie schaffen wir es, trotzdem empathisch, sympathisch und erfolgreich zu sein? Was wie ein Balanceakt klingt, ist gar nicht so schwierig. Zunächst kann es helfen, sich die eigenen Prioritäten im Leben aufzuschreiben: Was ist einem wichtig? Was will man? Und ganz wichtig: Was will man nicht? Außerdem ist es ganz essenziell, sich bewusst zu machen, dass es völlig in Ordnung ist, andere -auf höfliche Art und Weise natürlich -auch einmal zu enttäuschen. Es ist nicht unsere Aufgabe, auf eigene Kosten die Verantwortung für die Gefühlswelt und die Reaktionen anderer zu übernehmen -weder im Privat noch im Berufsleben. Gerade im Business kann es helfen, sich bereits vorab ein paar höfliche (!) Floskeln zurechtzulegen. Z. B.: "Einen Moment bitte, ich melde mich etwas später dazu." Wir müssen nicht ad hoc Ja oder Nein sagen, wir dürfen uns Zeit zum Überlegen nehmen. Und auch wenn es anfangs noch so schwer ist, Nein zu sagen: Üben Sie es, tun Sie es. Es wird leichter und führt am Ende des Tages im Optimalfall zu mehr Glück, Zufriedenheit und vor allem Freiheit.
 

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