Interview

Topmodel und Werbe-Ikone Anna Hiltrop

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Mit 12 Jahren startete Anna Hiltrop ihre Modelkarriere. Doch nachdem sie die internationalen Laufstege erobert hatte, wollte sie mehr ... und gab ihrem Job einen Sinn. Das Interview. 

Ob mit 16 auf dem Catwalk der Berliner Fashion Week, mit 17 als europaweites Testimonial von Mc Donald 's oder auf den internationalen Laufstegen zusammen mit Gigi Hadid, Adriana Lima &Co. - Anna HIltrop ist seit über zehn Jahren mit Vollgas auf der Überholspur des Modelhighways unterwegs. Ihren gesundheitlichen Breakdown vor vier Jahren nahm sie zum Anlass, ihrem anstrengenden und dennoch von ihr so geliebten Job Sinn zu verleihen. Seither bildet sich die deutsche FLR-Studienabsolventin neben ihrem Business an Universitäten wie in Kopenhagen und London weiter und fungiert als Botschafterin für Nachhaltigkeit in der Modebranche. Die 28-Jährige kooperiert inzwischen mit der Neonyt, der größten Messe für Mode und Nachhaltigkeit, wurde bereits zweimal von Fürst Albert von Monaco zu dessen Blue Motion Award eingeladen, um dort auf die Verschmutzung der Weltmeere aufmerksam zu machen, und ist nun auch Botschafterin des "Rhine CleanUps", in dessen Rahmen jährlich an 15 Flüssen über 300 Tonnen Müll gesammelt werden. Vor zwei Wochen nahm sie im Wiener Stadtpalais Liechtenstein den Vienna Award für Fashion & Lifestyle für ihr besonderes Engagement für Nachhaltigkeit als "Model of the Year" entgegen. In MADONNA zeigt sich die Beauty von beiden Seiten: als glamouröses Model im Fotoshooting im Grand Hotel Wien - und als Mensch mit Mission im Interview.

Sie wurden für Ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit in der Mode mit dem Vienna Award geehrt. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie konkret?

Anna HIltrop: Es ist schwierig, das genau zu definieren, denn Nachhaltigkeit umfasst ja so viele Bereiche. Nachhaltigkeit per se heißt für mich persönlich erst einmal Langlebigkeit. Die meisten Leute denken, wenn sie ,nachhaltig' hören: ,Öko und langweilig'. Dabei können auch Luxusprodukte nachhaltig sein, weil sie langlebig sind. Die Begrifflichkeit ist also ganz schwierig, denn auch faire oder vegane Mode ist nicht unbedingt nachhaltig. Etwa eine Kunstlederhose, die aus Erdöl gemacht ist ... das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.

Wie kam es dazu, dass Sie sich mit dem Thema so intensiv auseinandersetzen?

HIltrop: Schon als ich ein Kind war, haben meine Eltern und ich Müll aufgesammelt -etwa wenn wir im Urlaub am Strand waren und da lag etwas herum. Das war ganz selbstverständlich für uns. Mich konkret mit dem Thema auseinanderzusetzen, habe ich aber vor etwa vier Jahren begonnen. Ich war damals wirklich ausgebrannt, total kaputt und gesundheitlich sehr angeschlagen, nachdem ich als Model nonstop unterwegs gewesen war. Ich war 300 Tage im Jahr nicht zu Hause, hatte teilweise auch drei bis vier Flüge am Tag Irgendwann habe ich mir gedacht:,Wo ist der Sinn hinter dem Ganzen?' Ich zeige Trends, lebe ein Highlife, bin immer unterwegs und agiere eigentlich völlig achtlos mit den vielen Klamotten, die ich trage. Ich habe begonnen, all das und auch mich und was ich eigentlich möchte, zu hinterfragen. Mich bewundern so viele junge Mädchen, die mir auf Instagram folgen und mir schreiben -was möchte ich ihnen vermitteln? Klar, ich liebe die Mode-Branche und ich möchte nie einen anderen Job machen, aber sind das die Werte, die ich vermitteln möchte? So habe ich begonnen, mich intensiv mit dem Thema Sustainability, den Innovationen und Trends, was das betrifft, auseinanderzusetzen und mich da reinzuknien.

Wie hat Ihr berufliches Umfeld darauf reagiert, dass Sie plötzlich tiefgründige themen angesprochen haben?

HIltrop: Ich würde nicht sagen, dass es die Leute abgeschreckt hat. Aber es wird manchmal schon hinterfragt, ob ich denn jetzt einen anderen Job machen würde oder etwa, ob ich überhaupt noch auf den großen Fashion Weeks für Designer, die nicht nachhaltige Mode produzieren, laufen würde. Das tue ich aber nach wie vor, denn das ist ja mein Job. Das Schöne ist, dass ich immer öfter mit Leuten aus der Branche ins Gespräch komme und sie mich fragen, was man denn besser machen und wie man nachhaltiger arbeiten könnte. Und genau darum geht es mir: ohne den Zeigefinger zu erheben, Menschen zu motivieren und inspirieren, einen Beitrag zu leisten. Denn jeder Beitrag zählt.

Man könnte Ihnen natürlich vorwerfen, dass Sie Vielfliegerin sind, eben nicht nur für nachhaltige Labels laufen und auch nicht nur faire Mode tragen...

HIltrop: Ja, diese Kritik muss ich mir oft anhören -und ich finde das schade. Ich habe das nie abgesprochen, dass ich meinen Job als Model trotz meines Engagements für mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein in der Mode mache - und niemand kann zu 100 Prozent nachhaltig leben. Aber jeder Schritt zählt.

Was sind für Sie absolute Don'ts?

HIltrop: Etwa Pelz zu tragen oder wie Kylie Jenner ständig mit dem Privatjet hin und her zufliegen. Das sind so Sachen, die ich nie machen würde. Ich kann es verstehen, wenn es zeitlich nicht anders geht, aber aus reiner Dekadenz ist das völlig unzeitgemäß. Ich sage das auch oft bei Events, wo man für 200 Meter vom Hotel zum Red Carpet gefahren wird - das halte ich für bescheuert, da laufe ich immer.

Sie wirken trotz ihres Erfolgs in dem doch sehr abgehobenen Business sehr bodenständig. Wie haben Sie es geschafft, "normal" zu bleiben?

HIltrop: (lacht) Das ist eine gute Frage. Ich glaube, da haben meine Eltern eine sehr große Rolle gespielt. Als ich zu modeln begann, ging ich ja noch zur Schule. Meine Eltern haben mich auch immer wie eine ganz normale Schülerin behandelt, auch als ich dann auf Plakaten zu sehen war und herumgereist bin. Und: meine Mama war immer dabei, hat mich zu allen Jobs begleitet. Das war sehr wichtig, denn es ist schon unglaublich, was da oft hinter den Kulissen abgeht. Ich weiß noch, als wir bei der ersten Fashion Week waren, waren wir beide extrem geschockt

Worüber konkret?

HIltrop: Ich war so aufgeregt, dass ich kurz vor der Show zur Toilette musste. Da war eine riesen Schlange, weil alle Models zur Toilette mussten. Ich dachte: Komisch, warum sind die aufgeregt, die sind doch alle Profis -bis ich herausgefunden habe, dass die sich alle den Finger in den Hals gesteckt haben ... Das war wie im Film. Ich war wirklich geschockt. Und ich glaube, wenn du da als junges Mädchen ganz auf dich alleine gestellt bist, kann das gefährlich sein. Es war gut, dass meine Mutter immer dabei war.

Aber auch Sie hatten dann Probleme...

HIltrop: Ich hatte nicht Bulimie, aber ich war eine Zeit lang sehr essgestört und stark untergewichtig. Das war mit 18 oder 19 Jahren, als ich eben schon alleine unterwegs war. Da rutschst du plötzlich irgendwie rein. Kein Wunder, wenn du dafür gelobt wirst, dass du extrem dünn bist. Ich sah total krank aus, aber alle fanden es toll. Und plötzlich dreht sich alles darum, wann und wie viel oder wenig du isst. Das ist schon krass.

Wie haben Sie es aus dieser Teufelsspirale geschafft?

HIltrop: Nachdem mein Körper völlig gestreikt hat, weil mein Magen-Darm-Trakt im Ungleichgewicht war, habe ich einen guten Arzt gefunden, der mir geholfen hat. Ich habe gelernt, wieder normal zu essen und es gut zu finden, wenn ich ein paar Kilo mehr habe. Heute geht es mir wieder gut. Und ich bin trotzdem noch gut im Geschäft (lacht).

In Zeiten von Body Positivity - ändert sich die Branche zum Positiven?

HIltrop:  Es ist zweigeteilt. Auf der einen Seite werden nach wie vor die ganz dünnen Models bevorzugt. Auf der anderen Seite feiern Frauen wie Gisele Bündchen große Erfolge, weil sie für etwas stehen: sei es dafür, dass sie einen gesunden Körper haben -oder eben auch, weil sie eine Message in die Welt hinaustragen und mehr sein wollen als lebende Kleiderstangen. Zu Letzteren zähle ich mich gerne.
 

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