Mein Traum „Leon, ich werde dich nie verlassen.“ Leon liegt mit geschlossenen Augen friedlich auf meinem Bauch und schmiegt sich an mich. (...) Nach einer Weile drehe ich den Kopf und blicke über den Rand der Hängematte, die ich auf der Terrasse meiner kleinen Lodge aufgehängt habe. Ich kann es kaum fassen, dass dies hier unser neues Zuhause ist. (...) Ich war mit dem Vorhaben hierher nach Ostafrika gekommen, für die Frauen aus der Region Arbeitsplätze zu schaffen. (...) Dann höre ich ein Geräusch, und als ich aufblicke, entdecke ich durch die geöffnete Tür meinen älteren Sohn Aleeke, der am Küchentisch sitzt und seine Hausaufgaben macht. (...) Es ist der perfekte Moment. Endlich habe ich mein Zuhause gefunden. Meine ganze Familie, die ich schon verloren geglaubt hatte, habe ich hier vereint. Meine Eltern, alle meine Geschwister, meine Söhne. Noch ist es nur ein Traum …
Was in Brüssel geschah Vierzehn Tage lang tourte ich mit Joanna für meine Foundation durch ganz Europa. (...) Abschließend stand mein Vortrag in Brüssel auf dem Programm. (...) Als ich den Club etwa anderthalb Stunden später verließ, stieg ich einfach in das nächstbeste Taxi. (...) Die Fahrt kam mir diesmal länger vor ... „Entschuldigen Sie“, sagte ich zu dem älteren Herrn mit Lesebrille, „gibt es in Brüssel noch ein anderes Sofitel? Ich glaube nämlich, ich bin im falschen Hotel gelandet.“ (...) Ich hatte mein Mobiltelefon zum Aufladen im Hotel gelassen. Da ich ursprünglich nur ein bisschen spazieren gehen wollte, hatte ich auch meine Wertsachen und Kreditkarten im Hotel gelassen und nur etwas Bargeld mitgenommen, das ich nun fast komplett für die beiden Taxifahrten und mein Getränk in dem Club ausgegeben hatte. (...) Langsam kroch die Sorge meinen Rücken hinauf. (...) „Ich schlage vor, ich fahre Sie zur nächsten Polizeistation.“ (...) „Besser, Sie gehen jetzt und machen keinen Ärger, sonst muss ich die Ausländerbehörde informieren“, sagte der Polizist in unfreundlichem Ton, anstatt mir, wie erwartet zu helfen. (...) Der Taxifahrer, der eine Mütze auf dem Kopf trug, die er tief ins Gesicht gezogen hatte, musterte mich von oben bis unten. „Okay, steigen Sie ein...“, sagte er dann. Erleichtert stieg ich in das Taxi ein, ohne zu ahnen, dass ich mich gerade in die Hände eines gewalttätigen Verbrechers begeben hatte. Drei Tage und Nächte dauerte die Hölle an, die dieser Mann mir bereitete und ich weiß nicht, wie ich das überlebt habe. Ich weiß nur eines: Ich möchte nie wieder in meinem Leben über das Erlebte reden müssen.
Heimweh Egal, wo ich auf der Welt lebte, die Nacht, in der ich noch vor Sonnenaufgang allein in die Wüste lief und meine Mutter und meine Geschwister verließ, begegnete mir immer und immer wieder in meinen Träumen. Jedes Mal, wenn ich nach einem solchen Traum schweißgebadet aufwachte, verspürte ich eine unendliche Sehnsucht und ein tiefes Heimweh nach Afrika. Der Schmerz, den die Trennung von meiner Familie in mir ausgelöst hatte, war nie wirklich verschwunden. (...) Ich war ganz ruhig und mir meiner Sache sehr sicher. „Ich werde in Afrika wieder ein Haus kaufen, in Ostafrika“, sagte ich.
Schwanger Nach einem Besuch bei meinem Arzt wusste ich es: Ich war bereits im dritten Monat schwanger! Als ich die Praxis verließ, war ich überglücklich. Ein zweites Kind war schon lange mein Traum gewesen, und nun, da mein Leben ein wenig zur Ruhe gekommen war, schien mir der Zeitpunkt der richtige zu sein. Dem Vater würde ich nichts davon erzählen, beschloss ich, da ein Leben mit ihm für mich nicht in Frage kam. Ich war eine starke, unabhängige Frau und konnte mein Kind auch ohne Mann großziehen.
Leons Geburt Die Geburt verlief genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte: unkompliziert und in einer sehr entspannten Atmosphäre. Nachdem sie die Nabelschnur durchtrennt hatte, legte mir die Hebamme Leon in ein flauschiges Tuch gewickelt auf den Bauch. Erschöpft betrachtete ich meinen kleinen Jungen und empfand tiefes Glück.
Rückkehr nach Afrika Ich hatte die Uraufführung von Wüstenblume miterlebt, dem Kinofilm über mein Leben. (...) Im Hotelzimmer sah ich sofort nach Leon, der selig schlafend da lag. „Wir haben es geschafft, Leon“, sagte ich überglücklich, woraufhin er mich mit großen Augen ansah. Dann zog ich ein längliches weißes Kuvert hervor. „Weißt du, was das ist, mein Sohn?“, fragte ich ihn. „Das sind unsere Tickets nach Afrika. (...) Jetzt, nach diesem perfekten Abend, kann ich Europa mit einer wunderschönen Erinnerung verlassen und mit dir in meine Vergangenheit reisen. In unsere gemeinsame Zukunft. In unser neues Leben. Nach Afrika!“
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