Trotz mehrfacher Nachfrage wurde uns von Seiten der FPÖ für heute
ein klare Absage erteilt – wie würden Sie das Fernbleiben von der
heutigen Diskussionsrunde bewerten? Dr. Sophie Karmasin: Es
ist schwierig, die tiefenpsychologischen Gründe zu erahnen. Ich kann
es nur insofern beurteilen, wie es nach außen wirkt – nämlich nicht
sehr positiv. Wenn die FPÖ voll hinter Barbara Rosenkranz‘ Kandidatur
stehen würde, die ganze Partei auf einer Linie wäre und nicht
teilweise einen Rückzieher machen würde, dann hätte ja niemand ein
Problem, hierherzukommen und sich zu stellen. So kann man nur darauf
schließen, dass sich einerseits niemand findet, der all das mit
Überzeugung vertritt. Und andererseits hat man wohl auch zu wenige
Argumente. Romy Grasgruber: Ich halte es für bezeichnend,
dass sich niemand hertraut und auch den Mut hat, über dieses
Geschichtsbild, das Frauenbild und über die gesamte Ideologie, die
hinter Frau Rosenkranz steht, zu diskutieren. Karmasin: Was
mich persönlich interessiert hätte ist, wie die Partei plausibel
erklärt, dass sie eine fragwürdige Person wie sie, aufgestellt hat. Ob
man sozusagen das Risiko der großen Aufregung eingeplant oder ob man
selbst über die den Effekt überrascht war. Grasgruber:
Meiner Meinung nach ist es ja so, dass sich die FPÖ immer weiter
nach rechts bewegt. Vielleicht wollte man so ausloten, wie weit man
noch gehen kann.
Frau Dr. Karmasin, wie sehr hat sich die Partei mit dem Skandal
laut der aktuellsten Umfragewerte geschadet? Karmasin: Vor der
Aussage mit dem Verbotsgesetz waren die Werte von Frau Rosenkranz um
rund 10 bis 15 Prozent besser als sie es im Moment sind. Die
Mehrheit sieht die Debatte um Rosenkranz‘ Positionierung als Schaden
für die FPÖ bei den Wiener Wahlen. Also von einem positiven Effekt
kann keinesfalls die Rede sein. Würde morgen gewählt werden, würde
Rosenkranz ein desaströses Ergebnis einfahren. Aber das kann sich
natürlich in den nächsten Wochen auch wieder ändern.
Frau Nick, wie wird in Deutschland die aktuelle Debatte
wahrgenommen? Désirée Nick: Aus meiner subjektiven
politischen Haltung heraus, als österreichische Groteske! Was da bei
mir ankommt, ist so wie eine verzerrte Version des braunen Österreichs
im Stile des Karikaturisten Manfred Deix. Und es drängt sich die
Frage auf: „Wie kann es sein, dass Leute, die aus der Vergangenheit
nichts gelernt haben, überhaupt ein Forum erhalten! Warum wird das
nicht im Keim erstickt? Und wie können sich solche Leute auch noch
auf ihre Schulbildung berufen, denn im Grunde genommen hat Frau
Rosenkranz sich damit selbst torpediert, weil sie damit zugibt, dass
sie seit ihrer Schulzeit nichts gelernt hat. Damit impliziert sie
ja, dass sie damit auf dem Niveau einer Grundschülerin stagniert
ist. Und da wird es für mich eine österreichische Theatergroteske
und ich stelle mir vor, wie Frau Rosenkranz als selbst ernannte
„Politiker-Hausfrau“ Hakenkreuze backt. Karmasin:
Ich muss Ihnen recht geben – dass das von außen in das Stereotyp von
Österreich passen muss, dass es hier immer noch Gruppierungen mit
problematischem Geschichtsverständnis gibt. Nick: Die
gibt es in Deutschland natürlich auch. Karmasin:
Ja, aber bei uns dürfen die noch auftreten! Das wird in Deutschland
schon sensibler gehandhabt. Es ist ja im Grunde absurd, wenn man
überlegt, dass wir in einem Land leben, wo eine
Präsidentschaftskandidatin eine öffentliche Erklärung abgeben muss,
dass sie doch etwas gegen den Nationalsozialismus hat. Genauso gut
könnte morgen ein Politiker öffentlich beteuern müssen, dass er nicht
lügt, stiehlt und kleine Kinder im Keller hält. Ein Wahnsinn! Nick:
Sie bewegt sich in einer Grauzone, die juristisch gerade vertretbar
ist und wie der Wolf im Schafspelz drückt sich Frau Rosenkranz in
Idiomen und Metaphern aus, die der rechten Szene verständlich sind.
Das Ganze unter dem Deckmantel der Demokratie. Das ist die große
Mogelpackung, mit der Frau Rosenkranz daherkommt und das ist im Grunde
auch das Teuflische. Grasgruber: Barbara Rosenkranz ist
am rechtsextremsten Rand – aber man sollte schon viel früher
ansetzen: bei Strache und seinen Hetzkampagnen. Ich glaube, da kann
man nur mit Bildung etwas erreichen. Damit Menschen für solche
Botschaften nicht mehr empfänglich sind. Deswegen starten wir wieder
eine Protestaktion – den „Lichtertanz gegen Rosenkranz“ am 25. März.
Bei dem die Menschen, die sich von der moralischen Seite
verpflichtet fühlen, zeigen, dass DAS nicht Österreich ist, sondern
dass Österreich auch eine positive Seite hat. Nämlich eine
weltoffene, bunte und starke.
Manche meinen, man solle Barbara Rosenkranz gewähren lassen, weil
sie sich ja doch nur selbst disqualifiziert... Karmasin: Das
haben wir lange bei Haider und Strache gesagt. Jetzt sind wir bei 20
bis 25 Prozent rechter Wählerstimmen. Nick: Gewähren
lassen wäre so, wie wenn eine Mutter sagt: solange mein Kind abends
noch am Leben ist, habe ich meine Pflicht als Mutter getan. Gewähren
lassen beinhaltet auch, ein gewisses Maß der Zustimmung. Was mir an
der ganzen Sache überhaupt nicht gefällt ist, dass das eigentlich
nicht der Sinn der Politik ist. Frau Rosenkranz macht sich selbst zum
Thema, was gar nicht ihre Aufgabe ist. Sie soll das Land gestalten!
Aber das Angebot, das sie macht, ist, dass sie dieses Land
nationalsozialistisch gestaltet. Sie ist ja keine Grüne, die mit einem
Nazi verheiratet ist. Sondern eine berufstätige Frau, die mit ihrem
Mann an einem Strang zieht. Und ihr Mann gibt doch diese einschlägige
Zeitschrift (Fakten, Anm.) heraus. Erschreckend ist, dass 20 bis 25
Prozent die Partei, die diese Person aufgestellt hat, wählt.
Wie rechts ist Österreich? Karmasin: Ich glaube, es
ist viel zu einfach zu sagen, alle FPÖler sind wirklich rechts. Wir
haben ja die unterschiedlichsten Studien darüber, warum man die FPÖ
wählt und die Mehrheit der Motive liegen in einer ganz anderen Ecke.
Liegt es auch daran, dass die anderen Parteien zu wenig
Problemlösung anbieten? Karmasin: Ja, unter anderem. Dass
wir über lange Jahre einerseits das Thema Zuwanderung in vielen
Bereichen ignoriert haben, auf der anderen Seite gibt es tatsächlich
diese Probleme. Wenn es Volksschulen gibt, in denen die Mehrheit der
Kinder mit Migrationshintergrund sind, muss man das Thema ansprechen. Nick:
Was wäre denn Barbara Rosenkranz Lösungsansatz zu 70 Prozent
Migrationshintergrund in Volksschulklassen? Karmasin: Sie
sagt: Raus!
Ihr Mann, Horst Rosenkranz, hat 1990 die Liste „Nein zur
Ausländerflut“ gegründet. Nick: Sie ist also
pro Ausländerfeindlichkeit. Das ist schon mal eine klare Ansage. Karmasin:
In den letzten 15 bis 20 Jahren wurde das Zuwanderungsthema rein
der FPÖ und dem BZÖ überlassen. Die SPÖ im Speziellen hat sich auch
in Wien dem Thema verwehrt. Jetzt versuchen sie es langsam
anzusprechen. Die ÖVP hat sowieso Maria Fekter.
Was bewirken Aktionen wie der Lichtertanz tatsächlich? Grasgruber:
Ich glaube, dass die Zivilgesellschaft schon Macht auf die Politik
ausüben kann. Beispiel Hainburg und Frauenbewegung. Dass ein Protest
ein gesamtes Klima nicht sofort ändern kann, ist klar. Karmasin:
Es kommt darauf an, ob die Medien darüber berichten. Wenn sie
breit berichten, ist es ein großer Effekt. Nick: Erst
sind es 3, dann 3.000, dann 3 Millionen. Der Christopher Street Day
ist mittlerweile auch eine Millionenbewegung.
Frau Nick, wäre es in Deutschland denkbar, dass eine Zeitung eine
Person wie Barbara Rosenkranz so unterstützt, wie ein hiesiges
Kleinformat? Nick: Nein, sie würden Frau Rosenkranz als
Witzfigur oder Abnormität betrachten, als Randerscheinung skurriler
Art. Sie wäre gar nicht als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt
worden.
Wie sehr schadet sich Österreich mit dieser Kandidatur? Karmasin:
Ich sehe das wie eine missglückte Werbekampagne. Jeder kennt
Rosenkranz, aber sie ist für einen Inhalt bekannt, der in Österreich
nur eine kleine Gruppe anspricht. Nick: Das Dritte Reich,
das so viel Schmach und Schande hinterlassen hat, ist in der
historischen Zeitrechnung nur eine Sekunde von heute entfernt. Daher
ist es oberste Christenpflicht, sich im höchsten Maße aktiv zu
distanzieren!
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