Blick in Berlin-Brandenburger Kochtöpfe

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In Berlin lebe "ein so verwegener Menschenschlag beisammen, dass man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern (...) Haare auf den Zähnen haben (...) muss, um sich über Wasser zu halten", soll Goethe 1823 geschrieben haben. Tatsächlich ist die urtümliche Berliner Küche grob und deftig: Eisbein mit Sauerkraut und Erbsenpüree, Bulette und Bockwurst zählen zu den typischen Gerichten.

Um die ursprünglichen Speisen zu probieren, gibt es wohl keinen originelleren Ort als das älteste Restaurant Berlins. Es existiert schon seit 1621. "Zur letzten Instanz" ist ein Familienbetrieb, hier wird frisch gekocht und selbst zubereitet. Koch und Sohn André Sperling ist erst vor wenigen Jahren aus der Schweiz zurückgekehrt, wo er in Sternehäusern gearbeitet hat. Kohlrouladen und Schweinebauch, wie sie auf der Speisekarte des Restaurants stehen, sind für ihn kein Widerspruch dazu. "Das Essen unterscheidet sich zwar. Aber wenn man volkstümliche Speisen mit guten Zutaten zubereitet, entstehen auch hochwertige Gerichte", erklärt er.

Viele der Berliner Speisen sind Mitbringsel von Zugewanderten. Denn ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Nationen ist die Stadt schon seit Jahrhunderten. "Die Bulette brachten etwa Franzosen nach Berlin", sagt Buchautorin Ulla Heise aus Leipzig. Der Name leitet sich von dem französischen Wort für Kugel, "boule", ab. Echte Berliner sind auch Curry- und Bockwurst sowie der Kassler. Ein ortsansässiger Fleischer namens Cassel hatte einst einen wohl nicht mehr ganz frischen Schweinerücken in Salzlake eingelegt. "Seitdem gibt es Kasslerkamm", erklärt Heise.

Auch wenn es heute in Berlin außer den typischen Eckkneipen auch Event-Gastronomie und Nobelrestaurants gibt, zieht es die Hauptstädter von Zeit zu Zeit nach "j.w.d." (sprich: jotweedee). Das bedeutet "janz weit draußen", gemeint ist das ländliche Brandenburg.

Extravagante Gerichte sucht man auch in der brandenburgischen Küche vergeblich. "Typisch für die Gegend sind einfache Gerichte", erklärt Gastronom Stefan Tiepmar aus Zehdenick, 60 Kilometer nördlich von Berlin im Ruppiner Land. Dem in weiten Teilen kargen Boden rangen Bauern schon vor Jahrhunderten mit Mühe Kartoffeln und Rüben ab. Diese Produkte finden sich auch auf der Speisekarte von Tiepmars Gasthaus "Alter Hafen" wieder.

Im Fläming ist man stolz auf die "Teltower Rübchen", aus Beelitz kommt der berühmte Spargel. Eine Spezialität der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs ist der "Knieperkohl", ein milchsauer vergorenes Blattgemüse. "Nach den Weltkriegen war dieser Sauerkohl ein wichtiges Überlebensmittel für Mensch und Tier", sagt Heise. Rouladen, Sülze, Brot, sogar Buletten aus Knieperkohl sind heute zu haben. Dieser Kohl wächst aber nicht auf dem Feld, sondern entsteht in der Küche. Er besteht aus einer Mischung aus Braun-, Grün- und Weißkohl. Traditionell passen dazu deftige Gerichte wie Eisbein, Lungenwurst oder Schweinekamm.

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