Streit zwischen Ärztekammer und SVA

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Das kann für die rund 675.000 Versicherten der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) mit Frühjahr 2010 unangenehm werden: Am 30. September hat die Österreichische Ärztekammer den Vertrag gekündigt. Der SVA-Vorstand hatte einen neuen Vertragsabschluss von weiteren Verhandlungen abhängig gemacht.

Für die Sozialversicherung ist die Vertragskündigung nicht nachvollziehbar, hieß es Montagabend bei einem Hintergrundgespräch. Der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Günther Wawrowsky, bezeichnete das Vorgehen der SVA als "Frotzelei". "Es hat ein sehr wichtiges Verhandlungsergebnis gegeben. Umso mehr waren wir überrascht, dass wir mit 30. September mit einer Kündigungssituation konfrontiert waren, was die SVA betrifft. Es könnte zu einem größeren Konflikt kommen", sagte Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich und stellvertretender Obmann der Versicherung.

Keine Tarifanpassung seit vier Jahren

Unbestritten: Seit rund vier Jahren hatte es keine Tarifanpassung bei den SVA-Honoraren für die Kassenärzte - bis auf Einmalzahlungen - gegeben. Gleitsmann: "Schon Ende vergangenen Jahres gab es erste Gespräche. Nach sehr sehr vielen Sitzungen ist es gelungen, ein Ergebnis zu erzielen. Die Tarife im Bereich der 'Zuwendungsmedizin' sollten um vier Prozent angehoben werden." Dafür sollten die Labortarife für rund 20 Fachärzte mit Labors in Österreich mit 2010 um 21 Prozent gesenkt werden, bei den Röntgenfachärzten sollten es ab 2010 minus acht Prozent werden.

Die SVA macht für die niedergelassenen Kassenärzte ein Honorarvolumen von rund 137 Mio. Euro aus. Die Abmachung hätte bedeutet, dass ein Großteil der plus vier Prozent über die Tarifsenkungen bei Labor und bildgebender Diagnostik gelaufen wäre. Wawrowsky: "Rund ein Prozent hätte die SVA selbst draufzahlen müssen. Und das nach vier Jahren Stillstand."

"Gleiches Geld für gleiche Leistung"

In der entscheidenden Vorstandssitzung der SVA, in der über die Annahme des neuen Vertrages entschieden werden sollte, wurde das Ergebnis zwar akzeptiert, aber die Annahme von weiteren Verhandlungen mit dem Ziel einer langfristigen Angleichung der Tarife für die Leistungen an jene der Gebietskrankenkassen abhängig gemacht. Gleitsmann: "Unsere Tarife sind in den vergangenen fünf Jahren von plus 77 Prozent über den Tarifen der Krankenkassen der Versicherungen der unselbstständig Erwerbstätigen auf rund 50 Prozent plus gesunken. (...) Aber das sind Unterschiede, die schwer zu erklären sind. Das können wir nicht länger hinnehmen. (...) Was wir anstreben ist 'gleiches Geld für gleiche Leistung'."

Ein extremes Beispiel - allerdings aus dem Labor-Tarif-Katalog, das die SVA auch publizistisch per Inserat verbreiten will: Ein "Blutbild" kostet die Gebietskrankenkasse (GKK) beim Laborfacharzt 3,20 Euro, die SVA zahlt bisher 13,04 Euro. Unbestritten ist, dass die Honorare der sogenannten kleinen Kassen (SVA, Bergbau etc.) für die niedergelassenen Kassenärzte eine Art "Querfinanzierung" für die niedrigen Tarife der "armen" GKKs bedeutete.

Versicherung will Sachleistung gewährleisten

Die Argumentation der SVA in Sachen mittel- bis langfristiger Tarifanpassung nach unten (in Richtung GKK) wird mit folgenden Zahlen untermauert: Die einzelnen Honorarpositionen bei den Allgemeinmedizinern wären um 42 Prozent über den durchschnittlichen GKK-Tarifen, bei den Fachärzten wären es knapp 41 Prozent, bei den technischen Fächern (Labor) gar fast 103 Prozent - im Querschnitte eben plus 50,62 Prozent.

Für Wawrowsky wäre jedenfalls eine Anpassung der Tarife in der angestrebten Form inakzeptabel: "Das kann die SVA vergessen. Der Wunsch nach weiteren Verhandlungen nach dem Vorliegen des Gesprächsergebnisses war ein Rückfall an den Beginn der Verhandlungen. Dass kann es nicht geben. Wir bereiten den vertragslosen Zustand vor. Es wird eine Tarifempfehlung geben." Die Versicherten der SVA würden in diesem Fall beim Arzt zahlen müssen - und sich dann eben um eine Refundierung bei der Versicherung kümmern müssen. So weit könnte es im kommenden Frühjahr sein: Die SVA wird die sogenannte Bundesschiedskommission anrufen. Die kann ab ihrem Zusammentreten die Frist bis zum vertragslosen Zustand um drei Monate erstrecken.

Bei der SVA sind die Vorbereitungen ebenfalls angelaufen. Generaldirektor Stefan Vlasich: "Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Wir werden die Versorgung auf Sachleistungsbasis für die Versicherten aufrecht erhalten." So könnte man den Ärzten Einzelverträge anbieten. Allerdings, es gab offenbar einen weiteren Briefwechsel zwischen SVA und Ärztekammer. So dürfte es auf weitere Gespräche hinauslaufen. Wawrowsky: "Es wird wohl zu Gesprächen kommen." Gleitsmann: "Da wurde ein Band durchschnitten, das nicht so einfach zu 'kitten' ist. Für die Ärztekammer könnte sich die Frage stellen, ob sie wieder einen so guten Vertrag (wie bisher, Anm.) bekommen kann. Wir bemühen uns auf jeden Fall um eine Lösung."

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