Neues Medikament zur Notfallkontrazeption

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Schätzungen sprechen von 30.000 bis 40.000 Abtreibungen pro Jahr in Österreich. Das ist auch ein "Markt" bei rund 400 Euro Kosten pro Fall. Für die Beteiligten viel schonender wäre es, bis zum letztmöglichen Zeitpunkt eine ungewollte Schwangerschaft zu verhüten. Dafür steht ab 1. Jänner ein neues Notfallkontrazeptivum zur Verfügung, das bis zu fünf Tage lang wirkt, betonten Expertinnen bei einem Hintergrundgespräch in Wien.

"Das ist immer ein Notfall, eine unerwartete, akute Situation, in der man Hilfe braucht und zwar schnell. Es handelt sich um die Entscheidung einer individuellen und mündigen Frau. Sich in diese Entscheidung einzumischen, ist rücksichtslos und anmaßend. Man schätzt die Zahl der Abtreibungen in Österreich pro Jahr auf 30.000 bis 40.000. Aber die Zahl ist egal. (...) Wäre es nicht vernünftiger, den Frauen das zu ersparen?", sagte Doris Linsbauer, niedergelassene Gynäkologin in Krems in Niederösterreich.

Der Hintergrund: Wenn nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr ungewollter Nachwuchs eintreten könnte, ist das ein Dilemma, das sich leicht zur persönlichen Tragödie auswachsen kann. Die Notfallkontrazeption, die nicht mit einer Abtreibung zu tun hat, kann hier im individuellen Fall einen Ausweg bieten: Medikamente verhindern die Ovulation. Bisher gab es dafür in Österreich zwei rezeptpflichtige Gestagen-Präparate (Levonorgestrel). Bei Einnahme der ersten Dosis innerhalb von 24 Stunden lag hier die Verhütungswirkung bei 99,6 Prozent, bei Schlucken dieser "Pille danach" erstmalig am zweiten Tag betrug in Studien die Schwangerschaftsrate 1,2, mit dem dritten Tag "danach" schließlich 2,7 Prozent.

Ab 1. Jänner gibt es - auch - in Österreich ein neues Medikament zur Notfallkontrazeption. Es hat 30 Milligramm der Substanz Ulipristalacetat als Wirkstoff ("ellaOne"). Die Substanz moduliert die Progesteron (Gestagen)-Rezeptoren. Eine Tablette muss innerhalb von fünf Tagen nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Eine bereits bestehende Schwangerschaft muss vorher per Test ausgeschlossen werden. Die potenziellen Nebenwirkungen sind mit Kopfschmerzen (Häufigkeit: 17,5 Prozent), Übelkeit (12,2 Prozent), Bauchschmerzen (11,7 Prozent) etc. ähnlich wie bei den bisher in dieser Indikation verwendeten Medikamenten. Die Schutzrate nimmt mit der Zeitdauer ab dem Geschlechtsverkehr nicht ab.

Diskussion über Rezeptpflicht

Unabhängig davon ist die immer wieder aufflammende Diskussion über Sinn und Unsinn der Rezeptpflicht für diese Präparate zu sehen. Gynäkologin Doris Linsbauer sprach sich jedenfalls für eine Verschreibung durch den Arzt aus. Dass es in Sachen "Sexualhygiene" in Österreich noch einiges zu verbessern gebe, dafür sprechen Zahlen, welche Bettina Weidinger vom Institut für Sexualpädagogik in Wien nannte: Im letzten UNO-Bevölkerungsbericht liegt Österreich mit elf Teenagerschwangerschaften pro Geburten von 1.000 Frauen am letzten Platz unter den westlichen Industrieländern.

Die Expertin: "Die Zahl der Teenager, die Mütter werden, hat sich in den vergangenen Jahren nicht verändert." Im Jahr 2001 waren es beispielsweise in Österreich neun junge Frauen, im Jahr 2008 dann sieben (unter 15). Auch das Durchschnittsalter für den ersten sexuellen Kontakt (15,3 Jahre) hätte sich nicht verändert. Bettina Weidering: "Wir wissen aus den Anfragen bei uns, dass die Jugendlichen sehr sorgsam mit dem Thema umgehen."

Ungewollte Schwangerschaften bzw. das Risiko dafür sind auch nicht - wie oft von einer moralisierenden Erwachsenenwelt oft behauptet - ein "Privileg" der Jugend. Gynäkologin Linsbauer: "Es kommen genug ältere Frauen zu mir, die in dieser Situation sind. (...) Ist eine Frau betroffen, sollte sie binnen zwölf Stunden Zugang zu solchen Medikamenten haben."

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