Nanotechnologie: Bessere Risikoabschätzung nötig

Teilen

Fensterscheiben, die sich selbst reinigen, gesündere oder besser schmeckende Lebensmittel, gezielter wirkende Medikamente: Der Einsatz von Nanotechnologie verheißt in vielen Bereichen wahre Wunderdinge. Doch wie steht es mit den Risiken von Nanopartikeln in Konsumgütern? Mit dieser Frage setzten sich Experten bei einer von der Arbeiterkammer Salzburg organisierten Tagung auseinander.

Nanotechnologie nutzt winzigste Teilchen von Materialien - der gängigen Definition zufolge messen sie den zehnmillionsten Teil eines Meters - und sind deshalb selbst unter Elektronenmikroskopen kaum zu sehen. In dieser winzigen Form können die Materialien ganz andere Eigenschaften entfalten als in ihrer normalen Dimension. Das macht sie für die Wissenschaft und Forschung so interessant. Eingesetzt werden Nanopartikel beispielsweise bei Farben und Lacken in der Autoindustrie oder im Baubereich, in Kosmetika, in Verpackungen, in Nahrungsergänzungsmittel oder in Lebensmitteln. Diese Partikel machen Oberflächen schmutzresistent. Oder sie zeigen durch Verfärbungen an, ob ein Lebensmittel verdorben ist. Lebensmitteldesigner setzen Nanopartikel ein, um einen besonderen Geschmack oder eine gute Konsistenz zu erzielen.

Doch diesen Chancen auf neue, den Alltag revolutionierende Produkte stehen auch Risiken gegenüber, warnten Experten bei der Tagung: "Bei den Wirkungen der Nanopartikel sind mehr Fragen offen als gelöst", riet die Chemikerin Susanne Stark vom Verein für Konsumenteninformation den Konsumenten zu einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber den Neuerungen. Man wisse viel zu wenig darüber, wie diese Nanopartikel langfristig wirken.

Die Chemikerin forderte eine Deklaration von Nanopartikeln auf der Verpackung von Produkten sowie eine Datenbank, in der die eingesetzten Materialien genauer beschrieben werden. Für Kosmetika solle die Deklarationspflicht bis 2012 eingeführt werden, bei Nano-Food gibt es ebenfalls Bestrebungen zur Kennzeichnungspflicht, sagte Stark. Außerdem müsste die Forschung im Bereich der gesundheitlichen Risiken von Nanotechnologien intensiviert werden.

Überschreitung der Blut-Hirn- und Plazenta-Schranke

"Für eine exakte Risikoabschätzung ist es viel zu früh", forderte der Umweltmediziner Hans Peter Hutter, Facharzt am Institut für Umwelthygiene Wien, ebenfalls mehr Forschung in diesem Bereich. Nanopartikel könnten über Atemwege, den Verdauungstrakt oder die Haut in den menschlichen Organismus eindringen und sich über das Blutgefäßsystem verteilen. Die winzig kleinen Partikel würden die Blut-Hirnschranke und wahrscheinlich auch die Plazenta-Schranke passieren. Es sei weitgehend ungeklärt, wie sich diese aufgenommenen Partikel im Organismus verhalten, warnte der Umweltmediziner.

Aus Untersuchungen über Feinstaub oder Dieselruß wisse man, dass ultrafeine Teilchen gesundheitliche Gefahren bergen. Es sei nach dem derzeitigen Wissensstand davon auszugehen, dass die toxikologischen Effekte von Nanopartikeln umso größer seien, je kleiner sie seien, sagte Hutter. Dabei spielt aber nicht nur die Größe der Partikel, sondern auch deren Form, deren Oberfläche und deren Material eine Rolle. "Aus ärztlicher Sicht ist eindringlich ein vorsichtiger Umgang mit der Nanotechnologie zu fordern", sagte Hutter.

In Österreich sind derzeit 230 Produkte mit Nanotechnologie im Einzelhandel erhältlich, berichtete Stark. Die neue Technik findet sich hauptsächlich in Textilien, Kosmetika, Beschichtungen oder Reinigungsmitteln. Die Nanotechnologie ist ein rasant wachsender Markt: Betrug der Umsatz damit 2008 weltweit rund 700 Mrd. Euro wird er bis 2015 auf bis zu 2.000 Mrd. Euro klettern. Weltweit könnten bis 2015 rund zwei Mio. Menschen in diesem Bereich arbeiten, berichtete Stark.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.