Nano-Risiko: "Smoking Gun" noch nicht gefunden

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"Ist 'Nano' denn nun gefährlich oder nicht?" - Diese Frage hören die Nano-Wissenschafter Frank von der Kammer und Thilo Hofmann vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien öfter als ihnen lieb ist. "Die Smoking Gun ist noch nicht gefunden, Grund für Panik gibt es nicht, dennoch sollten wir beim Freisetzen von künstlichen Nanopartikeln sehr vorsichtig sein", so von der Kammer gegenüber der APA.

Umweltchemiker von der Kammer organisiert gemeinsam mit Department-Leiter Hofmann noch bis Mittwoch (9. September) in Wien die Tagung "Environmental Effects of Nanoparticles and Nanomaterials". "Dies ist die derzeit größte Veranstaltung zum Thema Risiken der Nanotechnologie in Europa", sagte von der Kammer.

Experten schätzen, dass mittlerweile mehrere Hundert Produkte auf dem Markt sind, in denen künstliche Nano-Teilchen - also Partikel mit einer Größe von unter 100 Nanometern - enthalten sind. Die Teilchen werden nicht zufällig eingesetzt. Durch ihre Kleinheit besitzen sie ganz besondere Eigenschaften. So werden Nano-Lacke oder Polituren schmutz- und wasserabweisend, Sonnenmilch mit Nano-Teilchen durchsichtig.

Doch, kein Licht ohne Schatten, haben die Winzlinge auch nachteilige Effekte auf Mensch und Umwelt. Obwohl die Arbeiten der Risikoforscher im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf Hochtouren laufen, sind dabei noch viele Fragen offen. Klar scheint, dass Nano-Partikel aus Titandioxid - wie sie etwa in Sonnenschutzmitteln oder Lacken eingesetzt werden - negative Auswirkungen auf die Mikrobiologie von Gewässern haben.

Verdichtet haben sich auch Hinweise, dass Nanopartikel Schadstoffe unerwartet rasch transportieren können. So gilt Blei im Boden normalerweise als wenig mobil. Eine Verlagerung um einen Meter kann mehr als 50 Jahre dauern. Doch es gibt Ausnahmen: Wird das Schwermetall anstatt an größere Brocken im Boden an Nanopartikel gebunden, kann es erheblich schneller gehen. So kann das giftige Metall leichter und rascher ins Grundwasser gelangen als bisher angenommen.

Risiko für Haut relativiert

Bedenken, dass die winzigen Kügelchen aus Titandioxid auch die menschliche Haut schädigen könnten, indem sie unter Lichteinfluss freie Radikale bilden, haben sich dagegen wieder relativiert. "Die Partikel werden industriell praktisch nie so verwendet wie sie sind, sondern mit anderen Oxiden beschichtet, damit bilden sie auch keine freien Radikale mehr", so von der Kammer. Daher seien die Wirkungen von "nackten" Nanokügelchen im Labor mit den tatsächlichen Verhältnisse nicht wirklich vergleichbar.

Viele offene Fragen gibt es bezüglich Silber in der Umwelt. Bekannt ist, dass Silber ein für Mensch und Tier weitgehend unbedenklicher Stoff ist. Unter Mikroorganismen kann er jedoch ein Gemetzel anrichten. Vor allem in Kläranlagen, die auf die Arbeit von Bakterien und Pilzen angewiesen sind, führen erhöhte Silber-Konzentrationen zu Problemen. Nach dem Rückgang der chemischen Fotografie, die mit Silber-Salzen arbeitet, vermerkten Toxikologen in den vergangenen Jahren eine Abnahme der Silber-Konzentrationen.

Doch nun haben mehrere andere Industrien das Silber entdeckt. So wird es etwa in Fasern eingearbeitet, um Stoffe antibakteriell zu machen. Kleidung, Putztücher und auch Oberflächen werden so ausgerüstet. Prompt registrieren Umweltchemiker wieder mehr Silber in den Kläranlagen. Dabei ist die mögliche Wirkung von Silber als Nanoteilchen noch rätselhaft. "Studien haben gezeigt, dass Silber in Nanoform für Mikroorganismen giftiger ist", berichtete von der Kammer. Ob es nun aber wirklich das Nanosilber selbst ist, das den Bakterien zusetzt, oder ob sich aus den Nanoteilchen nur mehr sogenanntes ionisches Silber in Wasser und Flüssigkeiten löst, muss noch geklärt werden.

Alles in Allem sieht von der Kammer derzeit keinen Grund zur Panik. Schließlich seien Nano-Teilchen keine Erfindung des Menschen, sie kommen auch in der Natur vor. So kann ein Liter Mineralwasser eine Million und mehr solcher Partikel enthalten.

Dennoch sollten laut von der Kammer künstliche Nano-Materialien nur dann eingesetzt werden, wenn es erstens einen erkennbaren Nutzen bringt und zweitens die Folgen halbwegs absehbar sind. So sollt beispielsweise vom Einsatz von Nano-Teilchen in der Kosmetik abgesehen werden, da über Kosmetika definitionsgemäß keine Wirkstoffe in den Körper eingebracht werden dürfen. Das ist Medikamenten vorbehalten.

Klar ist, dass "Nano" keine einheitliche Forschungsrichtung ist und dass die Analyse-Methoden für die Beurteilung solcher Materialien großteils erst entwickelt werden müssen. Die Konzentration eines bestimmten Stoffes - etwa Silber - zu messen, sei eine Sache. Zu klären, in welcher Form der Stoff vorliege, eine andere. Parallel zur Anwendungsforschung der Nano-Technologie sollte jedenfalls auch die Risikoforschung dazu entsprechend gefördert werden. Ein paar Prozent dafür zu reservieren, werde jedenfalls zu wenig sein, so der Experte.

Service: http://nano2009.univie.ac.at/

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