Medekamentenabgabe in Spitälern unter der Lupe

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Die Krankenkassen kontrollieren immer strikter die Arzneimittelausgaben. Doch was in den Spitälern rund um "Pharma & Co." abläuft, ist - nicht nur in Österreich - weitgehend unbekannt. Ein Netzwerk-Programm, das zu einem guten Teil von Expertinnen der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG/ÖBIG) auf europäischer Ebene organisiert wird, soll jetzt mehr Licht ins Dunkel bringen.

"Wir arbeiten mit dem ÖBIG seit 1998 zusammen. Damals begann man, sich die Pharma-Preisbildung und Erstattung in den europäischen Ländern genauer anzusehen. Die WHO Europa war mit dem ÖBIG Partner bei diesem EU-Projekt PPRI. Die nächste Stufe ist jetzt PHIS (Pharmaceutical Health Information System, Anm.), in dem die Analysen auf die Krankenhäuser ausgedehnt werden. Die Spitäler und ihr Arzneimittelwesen waren bisher eine 'black box'", sagte Kees de Joncheere, Experte für Technologiefolgenabschätzung und Pharmazeutika des WHO-Regionalbüros für Europa, in einem Gespräch mit der APA.

An dem Netzwerk nehmen rund 35 Staaten teil - im Wesentlichen die EU-Mitgliedsländer sowie Staaten im Umfreld. De Joncheere: "Wir wollen wissen, welche Arzneimittel die Krankenhäuser kaufen, zu welchem Preis, wie das Bestellsystem abläuft etc."

Das hat viele Gründe: Von der verbrauchten Menge her machen die Spitalsmedikamente in den westeuropäischen Industriestaaten zumeist weniger als 20 Prozent des Gesamtmarktes aus. Doch ein Drittel Anteil am gesamten Pharma-Verbrauch spricht dafür, dass in den Krankenhäusern hochpreisigere Arzneimittel verwendet werden.

Das kann auch damit begründet werden, dass die Krankenhauspatienten zumeist kränker sind als jene Menschen, die ambulant versorgt werden können. Auf der anderen Seite beeinflusst der Krankenhaus-Pharmamarkt natürlich auch den ambulanten Sektor: Chronisch Kranke, die auf ein bestimmtes Medikament eingestellt werden, bekommen es nach der Entlassung oft weiter verschrieben.

Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft

Gerade der Umstand der Weiterverschreibungen von Arzneimitteln nach einem Spitalsaufenthalt hat aber offenbar zu einem Marketing-System großer Pharmakonzerne geführt, der den Spitälern Vorteile, dem gesamten Gesundheitssystem aber Nachteile verursachen kann. Richard Laing, Team-Leader des WHO-Programms für "essenzielle Medikamente": "Universitätskliniken und Lehrspitäler bekommen bei manchen Arzneimitteln Preisnachlässe von 97 bis 98 Prozent. Man kann dem einzelnen Krankenhausapotheker nicht vorwerfen, dass er darauf verzichten soll, weil das für sein Spital betriebswirtschaftlich sinnvoll ist."

In Österreich wird seit Jahren gefordert, dass dort, wo es möglich ist, die Verschreibung von Arzneimitteln im Spital an die Gegebenheiten in der niedergelassenen Praxis angeglichen wird. Bisher ist das nur zu einem geringen Teil geglückt. Die Pharma-Experten des ÖBIG um Sabine Vogler sollen nun helfen, die einzelnen nationalen Systeme zu analysieren, damit die Gesundheitspolitik in die Lage versetzt wird, durch den Vergleich zu lernen und die nationalen Regelungen zu optimieren.

Die Unterschiede von Land zu Land sind jedenfalls enorm, das wissen die PHIS-Experten, die Ende vergangener Woche in Bratislava tagten, jetzt schon. Laing: "Norwegen beispielsweise hat in Europa mit 7,6 Prozent den niedrigsten Anteil von Arzneimitteln an den Gesundheitsausgaben. In Europa den anderen restlichen westeuropäischen Staaten sind zumeist um die 15 Prozent. In China liegt der Ausgabenanteil für Medikamente bei 44 Prozent."

Gemeinsames Ankaufs- und Bestellsystem in Norwegen

Norwegen - so die Fachleute - liegt vielleicht deshalb so gut, weil es dort für die Spitäler und den ambulanten Bereich des Gesundheitswesens ein gemeinsames Ankaufs- und Bestellsystem gibt. In manchen Staaten kaufen einzelne Krankenhäuser die Medikamente, in anderen tun das Krankenhausketten- bzw. Verbünde gemeinsam. Unterschiedlich ist jeweils auch die Mehrwertsteuer.

Hinter allen diesen Fragen stecken natürlich auch handfeste finanzielle Ziele. Die einzelnen Staaten interessieren sich nicht aus Selbstzweck für solche Analysen. De Joncheere: "Im Gesundheitssystem erzielt man mit seinen Geldmitteln am Beginn mit wenig Aufwand viel Nutzen. Wir kommen aber immer mehr in eine flache Kurve. Für zum Teil nur marginale Verbesserungen muss viel mehr bezahlt werden. Plus ein Prozent kann da zehnmal höhere Kosten bedeuten."

Das ÖBIG steht kurz davor, offiziell ein "Collaborating Center" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in diesen Pharma-Fragen zu werden. Die ersten Länder-Analysen bezüglich des Arzneimittelmarktes im stationären Sektor sollen übrigens für Österreich, die Slowakei, Norwegen, Portugal und die Niederlande fertiggestellt werden.

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