Demenz: Pro Patient 45 Erwerbstätige

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Mitte des 20. Jahrhunderts kamen auf einen Demenzkranken 120 Erwerbstätige. Im kommenden Jahr werden es laut Hochrechnungen nur mehr 45 sein und 2015 lediglich 17. Anlässlich einer neuen Kampagne unter dem Motto "Pflege geht uns alle an" forderten Caritas-Präsident Franz Küberl und Michael Landau, Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, weitere Verbesserungen im Pflegesektor und wiesen auf Alzheimer-Betroffene als besondere Herausforderung hin: "Demenz ist immer noch ein gesellschaftliches Tabu und Tabus machen einsam und verzweifelt." Österreich sei im Pflegebereich noch lange nicht im dritten Jahrtausend angekommen.

Die Bevölkerung werde immer älter und mit dieser Entwicklung steige auch die Zahl der Demenzpatienten, betonte Johannes Wancata von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AKH-Wien. Mit dem Alter nehme die Erkrankungsrate enorm zu: Während bei den 60- bis 64-Jährigen nur ein Prozent betroffen sei, steige der Anteil bei den 85- bis 94-Jährigen auf 30 bis 40 Prozent. Bis 2050 wird mit 262.300 Alzheimerleidenden gerechnet. Bereits jetzt haben laut dem Mediziner 70 Prozent jener Personen, die in ein Pflegeheim verlegt werden, Demenz.

"Wir werden, um mit dieser Situation fertig zu werden, ein Mehr an Pflege-Angebot brauchen", so Wancata. Betroffen davon sei nicht nur die mobile Versorgung, sondern auch die stationäre Behandlung. "Wir werden mit Sicherheit die gleiche Zahl an Pflegeplätzen brauchen, wenn nicht sogar mehr", ortete er eine große Aufgabe für die Politik.

Problematisch sei vor allem die Situation der pflegenden Angehörigen, die 75 bis 90 Prozent der Alzheimer-Betroffenen umsorgen würden. Selbst ein Viertel der schwere Demenz-Fälle, die rund um die Uhr Pflege benötigen, würden derzeit zu Hause versorgt, so Wancata. Die Folge: Zwei Drittel plagen Zukunftssorgen und/oder Burn-out-Symptome. Mehr als 50 Prozent seien mittlerweile selbst krank, beinahe ebenso viele durch die Pflegearbeit sozial isoliert, erklärte Wancata. Rund 27 Prozent klagen über finanzielle Belastungen.

Ausbau der mobilen Hilfe

"Der Mensch ist nie eine medizinische Restgröße", forderte Küberl weitere Verbesserungen im Pflegebereich. Der Caritas-Präsident und Landau betonten die Notwendigkeit des Ausbaus von flächendeckenden Unterstützungsmöglichkeiten im mobilen Bereich. Zwischen einer rund um die Uhr-Betreuung und der Hilfe für wenige Stunde gebe es Lücken. Notwendig wären flexible Angebote auch für acht oder zehn Stunden sowie individuelle Beratungs- und Hilfsdienste. Auch der im Regierungsprogramm festgeschriebene Pflegefonds müsse rasch geschaffen werden.

Fehlen würden außerdem zukunftsfähige, einheitliche Pflege-Konzepte für Österreich. Je nach Bundesland würden Leistungen unterschiedlich viel kosten bzw. nach anderen Maßstäben zur Verfügung gestellt, kritisierten die Caritas-Vertreter. Auch die Pflegegeldeinstufung dürfe nicht von Zufällen abhängen und benötige bundesweit gleiche Vorgaben und Formulare. Wichtig wäre eine Beurteilung durch geschulte Ärzte und diplomiertes Pflegepersonal nach dem Vier-Augen-Prinzip.

Mit Informationsveranstaltungen, Tagen der offenen Tür und einem "Pflegetag" heute, Freitag, auf dem Wiener Stephansplatz will die Caritas im September das Thema Altern in Würde verstärkt in den Blickpunkt rücken. Unterstützt wird die Kampagne von der Wiener Städtischen Versicherung.

Demenz häufigster Grund für Pflegeheim-Einweisung

Im Jahr 2030 wird jeder dritte Einwohner über 60 Jahre alt sein, im vergangenen Jahr zählte jeder fünfte Österreicher zu dieser Altersgruppe. Mit der "Überalterung" der Gesellschaft steigt auch die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. Nachfolgend einige wichtige Fakten zum Thema Alzheimer und Pflege in Österreich, die am Freitag von der Caritas bei einer Pressekonferenz in Wien präsentiert wurden:

- Demenzerkrankungen sind mit knapp 50 Prozent der häufigste Grund für Pflegeheim-Einweisungen. Zum Vergleich: Für zwölf Prozent sind Schenkelhalsbrüche verantwortlich.

- Bereits heute leidet jeder vierte über 85-Jährige an Alzheimer. Im Jahr 2000 waren insgesamt rund 90.500 Personen betroffen, 1951 waren es 35.500. Bei den 65- bis 70-Jährigen verdoppelt sich die Quote in etwa mit jedem Fünf-Jahres-Sprung.

- Etwa 1,7 Millionen Euro werden pro Jahr für die Versorgung Demenzkranker ausgegeben. Dieser Durchschnittswert ergibt sich aus 10.000 bis 11.000 Euro für einen Patienten in häuslicher und 25.000 bis 43.000 Euro pro Person in stationärer Pflege.

- 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden hauptsächlich von Angehörigen betreut. Rund 281.900 Frauen und 144.000 Männer - rund 6,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung - widmen sich dieser Aufgabe und erbringen dabei eine Leistung im Wert von zwei bis drei Milliarden Euro.

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