Anwendungsstudien sollen anmeldepflichtig werden

01.02.2010

Das Gesundheitsministerium arbeitet an einer Verordnung über die Registrierung von "Anwendungsbeobachtungen". Bei den Studien geht es um die Nachbeobachtung der Erfahrungen mit bereits zugelassenen Arzneimitteln durch Ärzte. Für die Krankenkassen soll es zu mehr Transparenz kommen, bei den Arzneimittel-Sicherheitsspezialisten steht ein möglicher Gewinn an Informationen im Vordergrund. Diskussionen gibt es auch rund um die Abgeltung für die beteiligten Ärzte.

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"Alles ist noch im Fluss. Im Verlauf der nächsten Woche soll es ein Gespräch mit der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie, Anm.) geben. In der Verordnung selbst soll eine Meldepflicht für solche Studien an die AGES-PharmMed verankert werden. Es geht um Transparenz", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Zu klären sei jetzt, wer in Zukunft wie viele Daten über solche Studien erhalte.

Der Hintergrund: In Österreich sind solche "Anwendungsbeobachtungen", bei denen Ärzte ihre quasi "passiven" Erfahrungen mit Arzneimitteln für die Industrie dokumentieren, bisher nicht geregelt. In Deutschland sind sie bereits meldepflichtig. Immer wieder wurde auch der Verdacht geäußert, dass sich über solche Studien die Pharmaindustrie Marktanteile sichern oder neue Medikamente schneller in den Markt bringen könnte. Das nennt man im Fachjargon "Seeding-Studies", bei denen eben gegen Honorar "ausgesät" werden soll.

Auf der anderen Seite werden Pharmakonzerne aber auch zum Teil zu solchen Studien verpflichtet, weil zum Zeitpunkt der Zulassung noch längst nicht alle Kenntnisse über Sicherheit, Nebenwirkungen vorhanden sein können. Für das Entdecken seltener Neben- oder Wechselwirkungen sind die Zulassungsstudien nämlich viel zu klein.

Der Stellvertretende Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Christoph Klein, begrüßte am Montag im Gespräch mit der APA die Initiative des Gesundheitsministeriums, forderte aber zwei Ergänzungen: "Tatsache ist, dass wir keine Ahnung haben, wie häufig und in welchem Ausmaß solche Studien erfolgen. Wir wollen für die Krankenkenversicherungen wissen, welche Ärzte daran teilnehmen." Durch die Gegenüberstellung mit der Verschreibpraxis des Arztes könnten dann Marketingeinflüsse durch solche Studien herausgefiltert werden. Die zweite Forderung von Klein: "Die Patienten sollten informiert werden."

Marcus Müllner, Chef der AGES-PharmMed, ist prinzipiell für das Schaffen von mehr Transparenz: "Wir würden es aber begrüßen, wenn man die geplanten neuen Regelungen dazu verwendet, dass möglichst viele Daten generiert werden, die der Arzneimittelsicherheit dienen." Hier stünden die Anliegen der Pharma-Vigilanz im Zentrum der Bemühungen.

Hier Geld, da Verschreibung?

Kassenärzte erhalten in Österreich von den Krankenversicherungen regelmäßig genaue Aufzeichnungen, was sie verschrieben haben, wie hoch der Generika-Anteil ist - und wo sie "Ausreißer" aufweisen. Darüber hinaus sind sie zu einer ökonomischen Verschreibweise verpflichtet - in jüngerer Zeit wurde bei den Arzneimitteln in mehreren Bundesländern von Ärztekammern und Krankenkassen gemeinsam neue Sparmaßnahmen etabliert.

Auf der anderen Seite wären gut organisierte Beobachtungsstudien ein wichtiges Mittel für die Meldung von potenziellen Nebenwirkungen. Günther Wawrowsky, Kurienobmann der niedergelassen Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer: "Es gibt Medikamente, bei denen sich nach einigen Jahren das Nebenwirkungsprofil anders als in klinischen Studien herausstellt. Es sind auch schon Arzneimittel aufgrund von Anwendungsstudien vom Markt genommen worden. Wir haben einen Code of Conduct. Wenn es Beschwerden gibt, bitte melden!" Man werde gegen Missbrauch vorgehen, im Grunde bekämen die Patienten ja sowieso nur die Arzneimittel, welche ihnen der Arzt auch sonst verschreibe. Den Hauptverband der Krankenversicherungsträger gingen die Daten aber nichts an. Die beteiligten Ärzte würden eine Abgeltung für den Administrationsaufwand bekommen, Korruptionsverdacht sei eine Unterstellung. Die meisten Ärzte würden sich solche Studien wegen der Mehrbelastung sowieso nicht mehr antun.

Ein Beispiel für die Auswirkung einer von den europäischen Zulassungsbehörden verordneten Anwendungsbeobachtung: Das Abnehmmittel "Reductil" kommt vom Markt, weil sich in der bereits rund zehn Jahre dauernden Anwendung - samt Studie an 9.000 Probanden - herausgestellt hat, dass es vermehrt zu Herz-Kreislauf-Problemen in der Patientengruppe der Fettsüchtigen führen kann. Gerade diese Kranken unterliegen an sich schon einem extrem hohen Herz-Kreislauf-Risiko.

Für den Generalsekretär des Verbandes der pharmazeutischen Industrie, Jan Oliver Huber, sah hinter der aufgeflammten Diskussion hingegen hintergründige Motive. "Ich fürchte, es ist einigen Leuten ein Anliegen, wieder gegen die Pharmaindustrie zu reiten." Abwicklung solcher Studien und Abgeltung für die Ärzte seien genau im Verhaltenskodex geregelt: "Das spielt sich zwischen 30 und 90 Euro ab."

"Restlose Aufklärung" forderte jedenfalls der Gesundheitssprecher der Grünen, Kurt Grünewald, in einer Aussendung: "Dass das Gesundheitsministerium nun eine Meldepflicht für solche Studien und auch die beteiligten Ärzte einführen will, ist begrüßenswert. Allerdings muss auch eine entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass auch die betroffenen PatientInnen informiert werden. Man muss klar zwischen sinnvollen wissenschaftlichen Verlaufs- und Langzeitbeobachtungen von Medikamenten sowie deren Nebenwirkungen und Marketingmaßnahmen trennen. Es gibt ja bereits einen Ehrenkodex der Pharmaindustrie. Warum es offenbar trotzdem zu diesen Missständen kommen konnte, muss aufgeklärt werden. Denn die besten Vereinbarungen nützen nichts, wenn sie nicht befolgt werden. Wenn der Ehrenkodex nicht eingehalten wurde, müssen empfindliche Strafen und Disziplinarmaßnahmen folgen."

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