Österreichische Drogensituation bleibt stabil

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Der Konsum an illegalen Drogen ist in Österreich stabil bis rückläufig. Im Jahr 2008 gab es 169 direkt mit Suchtgift in Verbindung stehende Todesopfer, im Jahr zuvor waren es 175 gewesen. Durch die sinkende Zahl der Obduktionen ist aber eine genaue Bestimmung kaum mehr möglich. Illegaler Drogenkonsum in Österreich betrifft zumeist Menschen, die damit in bestimmten Lebensphasen experimentieren. Das sind Hauptaussagen aus dem österreichischen Drogenbericht, der am 5. November gleichzeitig mit dem europäischen Drogenreport veröffentlicht wurde.

Die Datensammlung hat ein Autorenteam um Marion Weigl von "Gesundheit Österreich" (ÖBIG) im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) und des Gesundheitsministeriums erstellt. Der "Bericht zur Drogensituation 2009" betrifft den Berichtszeitraum 2008.

Wesentliche Daten zum Suchtgiftkonsum kommen aus einer 2008 durchgeführten Umfrage unter 4.196 Personen über 14 zum Prozentsatz jener Menschen, die je in ihrem Leben illegale Drogen genommen haben. 2008 gaben das für Cannabis zwölf Prozent an (die vorausgehende war 2004: 20 Prozent, Anm.), für Ecstasy, Amphetamine und Kokain je zwei Prozent, für Opiate ein Prozent, für biogene Drogen (Pilze etc.), LSD und Schnüffelstoffe je zwei Prozent an.

Die Veränderungen im Vergleich zu einer ähnlichen Untersuchung im Jahr 2004 sind erstaunlich. Die Autoren: "Ein solcher Rückgang der Lebenszeitprävalenz im Intervall von nur vier Jahren ist unmöglich. Anderer Faktoren, wie z.B. eine sich verstärkende Tendenz, den Konsum illegaler Drogen zu verschweigen, oder erhebungstechnische Probleme müssen bei diesem 'Rückgang' eine wesentliche Rolle spielen." Jedenfalls, überbordend sind der illegale Drogenkonsum oder dessen Entwicklung in Österreich nicht.

Wichtiger für die Bestimmung des aktuellen Status ist eher die sogenannten Zwölf-Monats-Prävalenz, also wer innerhalb des vergangenen Jahres illegale Drogen genommen hat. Hier gab es 2008 eine Rate von 2,8 Prozent für Cannabis - hier waren es im Jahr 2007 mit 7,5 Prozent deutlich mehr. Alle anderen potenziellen illegalen Suchtmittel wurden innerhalb eines Jahres nur von weniger als einem Prozent der über 14-Jährigen benutzt.

Fazit für die Autoren: "Dies bestätigt, dass der Konsum illegaler Drogen meist auf eine begrenzte Lebensphase bzw. auf das Experimentieren beschränkt ist."

Aktuelle Daten gibt es aber auch aus einer IFES-Umfrage mit 600 Testpersonen aus dem Jahr 2009. Sie wurde in ähnlicher Form 1993, 1997, 2001, 2005 und 2007 durchgeführt. Erfragt wurde jeweils wieder die Konsumerfahrung ab 15 Jahren - insgesamt (Lebensprävalenz):

- 1993 gaben Cannabis-Konsum fünf Prozent der Befragten an, 2007 wurden 19 Prozent erreicht, im Jahr 2009 dann 16 Prozent.

- Ecstasy wurde mit 1997 erstmals erhoben (damals zwei Prozent Konsumerfahrung). 2007 waren es vier, 2009 dann drei Prozent. Faktisch genauso waren die Werte für Amphetamine.

- Bei Opiaten gab es 1993 in der Bevölkerung bei einem Prozent "Konsumerfahrung". Das stieg bis 2009 auf drei Prozent an. Hier sind aber die Prozentsätze gering, was Veränderungen stärker ausfallen lässt.

- Ähnlich ist es bei Kokain: 2007 und in diesem Jahr gaben vier Prozent der Befragten Konsumerfahrung an, 2001 waren es zwei Prozent gewesen. Davor jeweils ein Prozent.

Experten betonen stabile Situation

Experten betonten aus Anlass der Publikation des Reports gegenüber der APA speziell die hohe Zahl der Substitutionspatienten bei den Opiatabhängigen. "Was sicher stimmt, ist, dass die Situation stabil ist. Die Abhängigen sind größtenteils in eine Behandlung eingebunden", erklärte Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel.

Ganz ähnlich auch Marion Weigl, Autorin des Berichtes: "Es gibt einen eher stabilen Konsum an illegalen Drogen in Österreich. Der Anteil der Cannabis-Konsumenten ist relativ hoch. Beim Heroinkonsum wird relativ viel 'geschnupft'." Die in Österreich bei vergleichbaren Umfragen plötzlich stark reduzierte Rate an Drogenerfahrungen der über 14-Jährigen - speziell bei Cannabis - sei andererseits nicht nachvollziehbar. Martion Weigl: "Das ist unmöglich." Immerhin lebten die 2004 dazu Befragten, die damals zu rund 20 Prozent Cannabis-Erfahrungen angaben, wohl auch noch im Jahr der jüngsten Untersuchung (2008). Die aktuell in der Umfrage zugegebene "Lebenszeiterfahrung" mit dem Suchtmittel Cannabis lautete bei der selben Bevölkerungsgruppe nur noch bei zwölf Prozent auf "Ja".

Wiens Drogenkoordinator Dressel verwies auf die - möglicherweise auch durch den Zustand der Wiener Gerichtsmedizin - bedingte Unsicherheit bezüglich der Drogentoten in Österreich: "Die Datenlage hat sich verschlechtert. Es wird weniger obduziert. Erstmals haben wir eine relativ hohe Zahl von Verdachtsfällen (bezüglich direkt mit Drogenkonsum verbundenen Todesfällen, Anm.), die nicht verifiziert werden konnten."

Das jährliche Zählen der Zahl der Suchtgiftopfer ist allerdings nur ein Aspekt der Angelegenheit. Dressel: "Bei den Drogentoten wissen wir, dass nur sechs Prozent in öffentlichen Räumen versterben. Charakteristisch ist bei den Opfern die Mischintoxikation, auch mit Alkohol." Ein großes Problem stellen auch die Verschreibungen von hohen Dosen von Benzodiazepinen (Schlaf- und Beruhigungsmittel) durch Ärzte für Abhängige dar, die gefährlichen Mischkonsum betreiben. Hier wollte man in der zu novellierenden Verordnung zur Substitutionsbehandlung verankern, dass auch die "Benzo"-Verschreibungen auf das Langzeit-Substitutionsrezept kommen. Doch das dürfte nicht möglich werden. Viele der Verschreibungen erfolgen auch auf Privatrezept.

Wichtig ist, dass in Österreich immer mehr Opiatabhängige mit Drogenersatzmitteln behandelt werden. Marion Weigl: "Die Zahl der Substitutionspatienten steigt an. Die Ersteinstellungen (auf Drogenersatzmittel, Anm.) sind allerdings im Jahr 2008 zurückgegangen."

Die größte Herausforderung - so nichts Unvorhergesehenes geschieht - wird in den kommenden Jahren die Gruppe der immer älter werdenden Drogenabhängigen und Substitutionspatienten werden. Dressel: "Der Anteil der älteren Patienten hat sich seit 2002 verdoppelt." Hier kommen langfristig Sucht und die sonst auch auftretenden "Alterserkrankungen" zusammen, weiters die oft mangelnden Ansprüche auf Pensionen etc.. Der Wiener Drogenkoordinator: "Da müssen wir noch spezielle Behandlungs- und Betreuungsangebote schaffen. Das ist ein großer Themenkomplex." Genauso wie die Wiedereingliederung von Abhängigen nach erfolgreicher Therapie in den Arbeitsmarkt.

Immer mehr Substitutionspatienten

Erfolge gibt es bei der Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen. 1999 gab es 3.918 Personen, welche Methadon etc. auf Rezept in den Apotheken erhielten. Ende 2008 waren es schließlich 11.119 Patienten. Die Substitutionsbehandlung bringt die Betroffenen in eine regelmäßige medizinische Betreuung und weg vom illegalen Suchtgiftkonsum. Sie kann den Betroffenen die Wiederaufnahme von Ausbildung oder geregelter Arbeit ermöglichen.

Derzeit wird eine Novellierung der entsprechenden Verordnungen vorbereitet. Über die Jahre hinweg - trotz immer wieder erfolgender Änderungen der Rahmenbedingungen - ist die Drogensubstitution in Österreich aber ein besonders wichtiges Standbein der Behandlung von Abhängigen.

Man nimmt an, dass in Österreich zwischen 22.200 und 33.500 Personen in Österreich problematischen Drogenkonsum betreiben. Darunter versteht man vor allem das Injizieren von Heroin oder den Mischkonsum von Opiaten mit anderen Suchtgiften und Medikamenten (auch mit Alkohol). 97 Prozent aller Todesfälle, die direkt mit Drogenkonsum zu tun haben, wurden im Jahr 2008 auf solchen Mischkonsum zurückzuführen. Doch die Statistik ist laut den Autoren des österreichischen Drogenberichts nur noch wenig aussagekräftig. 1998 waren 117 Personen direkt infolge von Suchtgiftkonsum gestorben, im Jahr 2000 waren es 167. Nach einem leichten Abfall erhöhte sich diese Zahl (2002: 139) bis 2006 auf 197. Im Jahr 2007 waren es schließlich 175 Opfer, im Jahr 2008 dann 169 belegte Fälle. Doch - so die Verfasser des Reports - die zurückgehenden Obduktionsraten in Österreich lassen eine genaue Bestimmung eigentlich nicht mehr zu.

Bei allen legistischen und polizeilichen Maßnahmen, die Erhältlichkeit von potenziell süchtig machenden Substanzen ist in Österreich gegeben - speziell von legal erhältlichen. Der österreichische Drogenbericht: "Während es 80 Prozent der Jugendlichen als ziemlich bis sehr einfach finden, an Alkohol heranzukommen (Wein/Sekt: 80 Prozent, Spirituosen: 56 Prozent), liegt der diesbezügliche Prozentsatz für illegale Drogen nur bei Cannabis bei etwas über einem Drittel der Befragten (35 Prozent). "Ecstasy und Amphetamine werden von jeweils etwa 20 Prozent als ziemlich bis sehr einfach erhältlich eingeschätzt. "Unerwartete Gratisangebote von illegalen Drogen von fremden Personen" haben im Jahr 2008 2,7 Prozent der Österreicher erhalten.

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