Nahrungsmittel-Intoleranz

Unverträglichkeiten werden immer häufiger

28.03.2014

Echte Intoleranz oder Modeerscheinung? Hände weg von Selbsttherapie.

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Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind auf dem Vormarsch und hinterlassen oftmals verunsicherte Konsumenten. Experten haben am Donnerstag am Wiener Ernährungskongress des Verbandes der Diaetologen Österreichs davor gewarnt, sich auf zweifelhafte Methoden und Selbsttherapie einzulassen. Eine fundierte ärztliche Diagnose sei unabdingbar.

Massives Problem
Nahrungsmittelintoleranzen seien für Betroffene ein massives Problem, sagte die Präsidentin des Verbandes der Diaetologen Österreichs, Andrea Hofbauer, bei der Eröffnung des Kongresses. "Es ist unglaublich, wieviele Menschen zu uns kommen und glauben, sie haben eine Unverträglichkeit. Aber ist es ein neuer Lebensstil, eine Modeerscheinung oder ist es eine Tatsache, dass wir (beim Essen, Anm.) immer intoleranter werden?"

Geldmacherei
Die Verzweiflung und Unsicherheit der Menschen treibt auch die Industrie an. Das Angebot von allergenfreien Produkten, fragwürdigen Diagnoseverfahren und Behandlungsangebote boomen, sagte Hofbauer. "Und mit den Menschen wird dann das Geschäft gemacht."

Keine Selbstdiagnose

Hofbauer empfiehlt Betroffenen, unbedingt auf Selbstdiagnose und Selbsttherapie zu verzichten: "Gerade hier sind individuelle Interventionen durch ernährungsmedizinisch geschulte Experten und Expertinnen wichtig, mit pauschalen Ernährungsempfehlungen ist es dabei sicher nicht getan." Um den Leidensweg Betroffener zu verkürzen, sei zuallererst eine genaue und fundierte ärztliche Diagnosestellung unabdingbar. Erst darauf basierend sollte eine diätologische Anamnese erfolgen.

Betroffene versuchen häufig, durch selbstverordnete Maßnahmen dem Problem beizukommen. Eine fundierte Diagnose einer Lebensmittelunverträglichkeit kann dann aber schwieriger werden, wenn der verunsicherte Patient selbst herumexperimentiert, wie Harald Vogelsang von der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien erläuterte. Beispiel Gluten: "Im Prinzip gibt es drei Arten von Gluten-Unverträglichkeit", so Vogelsang. "Die eine ist die Zöliakie, bei der es sich um eine nichtallergische immunologische Erkrankung handelt." Hat man sich schon im "Selbstversuch" auf glutenfreie Produkte verlegt, wird eine exakte Diagnose erschwert, meinte der Mediziner.

"Eine glutenfreie Diät ist in letzter Zeit sehr modern geworden", meinte Vogelsang. "Für den Gesunden hat sie aber keinen Vorteil und im Fall einer Zöliakie kann sie obendrein die Erstellung einer richtigen Diagnose behindern."

Der zweite mögliche Grund für eine Gluten-Unverträglichkeit ist eine Intoleranz, deren Wurzeln nicht in immunologischen Vorgängen liegen. "Diese Situation findet sich vor allem bei Reizdarmpatienten", so Vogelsang. Als dritter Grund könnte schließlich eine Weizenallergie verantwortlich für die Gluten-Unverträglichkeit sein. Das komme allerdings im Erwachsenenalter sehr selten vor.

Maßgeschneiderte Ernährungstherapie

Nach der ärztlichen Diagnose werde eine individuelle und maßgeschneiderte Ernährungstherapie abgeleitet, sagte Hofbauer. Zur diätologischen Anamnese gehört eine genaue Erfassung der Ernährungsgewohnheiten, des sozialen Umfelds und aller anderen Faktoren, die Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben. "Daraus wird eine sogenannte Ausschluss-Diät entwickelt", erklärt die Wiener Diätologin und Landesleiterin Wien des Verbandes der Diaetologen Österreichs Barbara Angela Schmid. "Der oder die Betroffene muss dann umfassend darüber informiert werden, in welchen Lebensmitteln und in welchen Produkten der Auslöser der Beschwerden enthalten ist."

Es ist für den Patienten sehr wichtig zu wissen, was er essen kann, und nicht nur zu wissen, was er nicht essen darf. Es geht laut Schmid also um einen Ernährungsplan für die Praxis, der es ermöglicht, das Leben mit einer Unverträglichkeit zu managen. "Häufig bekommen Patienten und Patientinnen, die an einer Unverträglichkeit, Aufnahmestörung oder Allergie in Zusammenhang mit Nahrungsmitteln leiden, zwar eine Menge von Informationen, sind damit aber überfordert und allein gelassen. Diese Informationen müssen erst auf den individuellen Ernährungsalltag heruntergebrochen werden", erklärte Schmid.

Der Kongress, der Donnerstag und Freitag im Wiener Marriott veranstaltet wird, ist laut Hofbauer so gut wie ausgebucht. "Die Veranstaltung ist bummvoll und das hängt sicher mit dem Thema zusammen", sagte die Diaetologen-Präsidentin.
 

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