Fatale Wirkung

So schädlich ist Alkohol

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Neues Arzneimittel soll bei Patienten zur  Verringerung der Trinkmenge führen.

"Alkohol ist das Suchtmittel, das am meisten schädigt. Er schädigt jedes Organsystem", warnte Dienstagabend der Leiter des Anton Proksch Instituts, der Psychiater Michael Musalek, bei einem Presseseminar in Wien. Wissenschaftliche Studien belegen eindeutig die fatale Wirkung größerer Trinkmengen auf das Herz-Kreislauf- und Krebsrisiko, Bauchspeicheldrüse, Magen und Leber - noch ganz abseits des Unfallrisikos und psychiatrischer Zustandsbilder. "Schadensminderung", könnte hier in Zukunft die Devise lauten. Ein (altes) neues Medikament, welches das Alkohol-Craving bei bestimmten Betroffenen reduziert könnte in Zukunft helfen.

Alkoholabhängigkeit
In psychiatrischer Hinsicht hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Alkoholabhängigkeit in den meisten Fällen nicht die Grunderkrankung ist, sondern sich auf eine bestehende psychische Störung "draufsetzt". 38 Prozent der Betroffenen haben als Basis eine schwere Depression, 36 Prozent eine Angststörung, 30 Prozent eine Panikstörung. Musalek: "Die Suchterkrankung ist dabei die 'Ko-Morbidität. Jede Suchterkrankung beginnt dann mit einem Desaster. Es ist immer die Depression, die Schlaf- oder die Angststörung - und jemand kann den Konsum noch ganz gut steuern. Und dann kann er das plötzlich nicht mehr."

In körperlicher Hinsicht ist die Substanz Alkohol hoch gefährlich:

   - Von einer Trinkmenge von zehn Gramm Alkohol pro Tag an lässt sich eine geradlinige Kurve mit dem Anteil der Sterbefälle durch Bluthochdruck (Schlaganfälle etc.) zeichnen.

   - Personen mit einem hohen Risikoniveau (Frauen: 40 bis 60 Gramm pro Tag; Männer 60 bis 100 Gramm pro Tag - die Harmlosigkeitsgrenze beträgt für Männer 24 Gramm pro Tag/0,6 Liter Bier oder zwei Achtel Wein; bei Frauen etwa die Hälfte) haben im Vergleich zu Abstinenten: ein fünffach höheres Risiko für Krebs im Mund- und Rachenbereich, ein mehr als vierfach höheres Risiko für Speiseröhrenkrebs etc.

   - Das Lebenszeitrisiko, an einer alkoholbedingten Verletzung zu sterben, steigt bei Männern mit problematischem Konsum auf 16 Prozent, bei Frauen auf acht Prozent.

Physisch und/oder psychisch abhängig
Ausschlaggebend sind zu einem hohen Anteil die Trinkmengen. Allerdings gibt es die unterschiedlichsten Ausformungen von Alkoholproblemen: Vom geringen bis zum hohen Konsum und der Abhängigkeit gibt es ein Kontinuum. Betroffene können physisch und/oder psychisch abhängig werden. Zumeist hängt es auch von den Selbstmanagementkapazitäten ab, wie sich das ausprägt. Deshalb setzen die Fachleute auch zunehmend auf Schadensminimierung. Für die Patienten soll sich die Realität wieder in Richtung mehr Lebensfreude ohne Alkohol verschieben.

Bei der Reduzierung der Trinkmenge bei bestimmten Patienten könnte in Zukunft ein neues Arzneimittel, eigentlich eine alte Substanz, eine Hilfe bieten. In der EU ist es bereits zugelassen. Es handelt sich dabei um die Substanz Nalmefene ("Selincro").

Nalmefene ist bereits seit den frühen 1970er-Jahren bekannt und wurde als Gegenspieler zum Opioid-Rezeptor im Gehirn entwickelt. Im März 2012 wurden beim Europäischen Kongress für Psychiatrie in Prag die Ergebnisse von drei klinischen Wirksamkeitsstudien mit fast 2.000 Patienten präsentiert. Demnach reduzierte die einmal tägliche Einnahme von 18 Milligramm der Substanz die Zahl der Tage, an denen die Probanden in einem Monat hohen Alkoholkonsum hatten (mehr als 60 Gramm bei Männern, mehr als 40 Gramm bei Frauen - z. B. 1,5 oder ein Liter Bier, drei Viertel oder ein halber Liter Wein), auf etwa ein Drittel im Vergleich zu der Placebo-Gruppe. Das galt auch für den Alkoholkonsum insgesamt über ein Monat hinweg, wobei die Beobachtungszeit ein halbes Jahr betrug. Es gibt Hinweise, wonach sich die Wirkung bei längerer Anwendung noch erhöht.

Eingenommen werden soll das Medikament in Tablettenform immer dann, wenn ein Craving nach Alkohol verspürt wird. Der Betroffene muss aber zusätzlich auch in ständiger psychosozialer Betreuung sein.
 

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