Schein-Medikamente

Placebo-Effekt ist nicht nur Einbildung

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Forscher untersuchen Nutzen von Placebo-Effekten für Patienten.

Wie Schein-Medikamente und einfühlsame Ärzte die Genesung von Patienten beschleunigen können, wollen Placebo-Forscher bei einer internationalen Tagung in Tübingen erörtern. Es müsse in der Medizin darum gehen, positive psychische Effekte zu verstärken und Ängste von Patienten zu minimieren, sagte Tagungsleiter Professor Paul Enck am Montag: "Solche Placebo-Effekte können häufig ebenso stark sein wie neu entwickelte Medikamente." Die dreitägige Konferenz, die an diesem Mittwoch in Tübingen beginnt, ist nach seinen Angaben die bisher größte Placebo-Tagung weltweit.

Nebenwirkungen
Die Auswirkungen von solchen und ähnlichen Effekten sind Enck zufolge weitreichend. So führe etwa eine ausführliche Aufklärung über die Risiken einer Operation dazu, dass Patienten anschließend tatsächlich häufiger an einer dieser Komplikationen litten. Auch die lange Liste von Nebenwirkungen auf Beipackzetteln könne Patienten regelrecht krank machen. "Studien zeigen: Wenn eine Nebenwirkung aus dem Beipackzettel verschwindet, dann taucht sie auch nicht auf."

Diese sogenannten Nocebo-Effekte, quasi negative Placebo-Effekte, rückten deshalb immer stärker in den Fokus der Forschung. "Ärzte müssten sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie sie auf ihre Patienten wirken", forderte Enck.

"Ein Placebo-Effekt ist keine Einbildung. Sie simulieren im Körper tatsächlich die Wirkung von Medikamenten", betonte der Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Das könnten sich Ärzte bei der Behandlung zunutze machen.

Rolle der Mediziner
Gleichzeitig rücke auch die Rolle der Mediziner selbst immer stärker in den Mittelpunkt. Patienten mit einer Erkältung fühlten sich im Schnitt einen Tag schneller wieder gesund, wenn sie einen einfühlsamen, empathischen Arzt hätten. Ähnliche Studien gebe es bei Herz-Operationen. "Placebo-Effekte haben viel mehr mit den Ärzten zu tun als mit den Patienten", betonte der Forscher.

Gestresste und wenig empathische Ärzte erzielen Enck zufolge schlechtere Behandlungserfolge. Sein Fazit: Die sprechende Medizin müsse gegenüber der Apparate-Medizin gestärkt und besser bezahlt werden.

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