Resilienz stärken & Warnsignale erkennen

So helfe ich meinem Kind

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Die Pandemie verlangt den jungen Menschen einiges ab und sie brauchen uns jetzt. Mithilfe der Eltern können Kinder widerstandsfähig und psychich stabil werden. 

Unter den jungen Menschen breiten sich als Folge der Einschränkungen während der Pandemie psychische Erkrankungen aus, wie u. a. eine Studie von Kinder- und Jugendpsychiater Univ.-Prof. Dr. Paul Plener mit der Donau-Uni Krems aufzeigt. Die Jugend habe keine starke Lobby, die hinter ihnen steht, so der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien/Universitätsklinikum AKH, und benötige umso mehr die Unterstützung der Eltern. Wie man Jugendliche zu widerstandsfähigen sowie stabilen Menschen erziehen kann oder ihre psychischen Störungen rechtzeitig erkennt und verhindert, expliziert Prof. Plener in seinem neuen Buch „Sie brauchen uns jetzt“.

„Die Eigenschaft der Stunde“

Seit dem Ausbruch der Pandemie konnten wir beobachten, wie sich unsere Welt tiefgreifend verändert hat. Langfristig kommt es zu außerdem zu beschleunigten Transformationen. Der Kinder- und Jugendpsychiater rechnet daher damit, dass sich die Welt, in der unsere Kinder einmal leben werden, stark von unserer unterscheiden wird. Um sie bewältigen zu können, wird die heutige Jugend spezielle Kompetenzen benötigen, die nicht einmal wir Erwachsene kennen oder gar zum jetzigen Zeitpunkt besitzen. Ältere Generationen können die Jungen dennoch auf die Zukunft vorbereiten. Das gelinge am besten durch Förderung der „Resilienz“ – der „Eigenschaft der Stunde“, wie er präzisiert. Widerstandsfähigkeit müsse allerdings außerhalb der Komfortzone entwickelt werden, ähnlich wie beim Aufbauen eines Muskels, müsse die Grenze des bis dahin Normalen herausgefordert werden. So empfiehlt er Eltern, nicht jedes kleinste Problem gleich aus dem Weg zu räumen, sondern Geduld und Beständigkeit an den Tag zu legen. Wenn Kinder beispielsweise Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben haben, solle man ihnen nicht gleich die Lösungen zeigen, um sich das Drama zu ersparen, sondern sie im Sinne der Resilienzentwicklung den Weg selbst finden lassen. Man solle ihnen vielmehr vermitteln: „Ich bin da, aber jetzt bist du an der Reihe.“ Was Eltern genau dazu beitragen können, damit die Jungen resilienter werden, fasste Prof. Plener in vier Punkte zusammen (Anm: siehe Infobox unten).

Achtsamkeit der Eltern

Sind die Jungen in Zeiten des Wandels besonders psychisch belastet, liegt es bei den Eltern, ihnen beizustehen und besonders achtsam zu sein. Denn eine der wichtigsten Voraussetzungen für rasche und erfolgreiche Heilung sei Prof. Plener zufolge die Früherkennung. Doch gerade bei Pubertierenden sei das mit ihrem oft schroffen Verhalten nicht leicht. Worauf man also genau achten soll? Prof. Plener definiert drei Bereiche, in denen Erkrankungen durch den richtigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen verhindert werden können oder erste Warnzeichen leicht zu erkennen und im besten Fall eine Kurskorrektur möglich sei: Depressionen, Sucht und Angst (Anm.: siehe Infokasten rechts). Prof. Plener expliziert auch, wann es notwendig sei, professionelle Hilfe zu holen: „Wenn es zu einer Funktionsbeeinträchtigung in mindestens einem Lebensbereich (Familie, Freunde, Schule, Freizeit) kommt.“In einem solchen Fall wirken die Symptome so einschränkend, dass das Kind oder der Jugendliche dem gewohnten Alltag nicht mehr nachgehen könne. Ein depressives Kind hätte etwa schwere Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule, könne das Bett nicht verlassen und auch nicht am Familienleben teilnehmen. Fachärzte würden dann in einer Psychotherapie versuchen, den Betroffenen für die Teilhabe am Leben wieder zu motivieren. Zeigen die psychotherapeutischen Sitzungen keine Wirkung, wird vom Arzt manchmal eine zusätzliche medikamentöse Behandlung vorgeschlagen. Apropos: Wird eine psychische Erkrankung beim Kind diagnostiziert, sollten Eltern das nicht als Niederlage oder Enttäuschung sehen, empfiehlt der Kinder- und Jugendpsychiater, sondern als Durchbruch und Hoffnung auf Besserung. 

❯❯ Wie man die Resilienz fördert 


✏ Überwindbare Widerstände zulassen
Psychisch gesundes Heranwachsen ­bedeutet auch immer ein Heranwachsen mit Widerständen, die sie durch Kompetenz überwinden können.

✏ Stabile Bezugsperson
Mithilfe eines Menschen, dem sie vertrauen, gelingt es Kindern und Jugend­lichen von Anfang an, Herausforderungen besser zu meistern.

✏ Positive Erfahrungen
Ein wesentlicher Prozess der Psychohygiene ist das Reflektieren und Schreiben über positive Erlebnisse (drei pro Tag), die man in einem Tagebuch erfasst.

✏ Das Gefühl, in einer Sache gut zu sein
Zur Selbstwertstabilisierung und der Entwicklung der Resilienz sollten Kinder und Jugendliche das Gefühl haben, in einer Sache besonders „gut zu sein“
und sich bestätigt fühlen – am besten in einer außerschulischen Aktivität.  

Warnsignale erkennen: 

Depression:
Den betroffenen Kindern beziehungsweise Jugendlichen scheint nichts mehr Spaß zu machen. Bei der Früherkennung von Depressionen gilt zu beobachten, wie die Stimmung der Kinder oder Jugendlichen ist.

Ansgststörung:
Dinge, die früher unproblematisch waren, werden auf einmal vermieden. Eine Angststörung zu erkennen, erfordert besonders viel Achtsamkeit, da Betroffene ihre Ängste oft gut verschleiern können. Phobien lassen sich oft anhand von körperlichen Reaktionen wie Schweißausbrüchen, einem beschleunigten Puls oder Kurzatmigkeit erkennen.

Spielsucht:
Das entscheidende Kriterium ist der Kontrollverlust: eine gesunde Begeisterung für etwas oder eine Leidenschaft wird zur Sucht. Die Betroffenen nehmen wahr, dass es ihnen nicht guttut, können aber nicht damit aufhören. Der Suchtgegenstand (Anm.: Alkohol, Drogen, Online- oder Offlinespiele) bestimmt über sie und sie nicht über ihn.
Andere Dinge, die wichtig waren, wie etwa Schule, Freunde, Hygiene oder Gesundheit, werden vernachlässigt. Es gibt keinen Grenzwert bei der Bildschirmzeit, manche führen mit vier Stunden Spielzeit im Wochenschnitt ein normales Leben, andere können es aber mit zwei Stunden nicht mehr. Die Eltern müssen daher genau darauf achten, ob ihr Kind noch „funktioniert“.  

Buchtipp
„Sie brauchen uns jetzt“ von Univ.-Prof. Dr. Paul Plener, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie; edition a um 20 Euro

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