Vegetarier im Steak-Land Argentinien

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Es gibt in Argentinien auch das ein oder andere vegetarische Lokal.

Alles, nur kein Fleisch ist das Motto: Und das in einem Land, in dem statistisch gesehen jeder etwa 70 Kilogramm im Jahr davon isst.

Pilze mit Chili und Kokosmilch stehen auf der Speisekarte des kleinen Restaurants. Wahlweise auch Reis mit Koriander, Rosinen und Birnen-Chutney. "Es war schon ein Risiko gerade mitten in Buenos Aires, der Hauptstadt eines fleischverrückten Landes wie Argentinien, ein vegetarisches Restaurant zu eröffnen", erzählt Alejandra Pais. "Aber meine Mutter ist eben überzeugte Vegetarierin und hat sich nicht von der Idee abbringen lassen." Heute, nur ein paar Jahre später, läuft das Restaurant "Bio" im trendigen Stadtteil Palermo Hollywood so gut, dass die 21-Jährige ihrer Mutter helfen muss, wenn sie zwischen den Universitätsseminaren Zeit hat.

"Viele kommen einfach nur, um das mal auszuprobieren", sagt Pais. "Aber ich merke auch, dass es immer mehr Vegetarier gibt und Menschen, die sich Gedanken über gesundes Essen machen. Die sind dann froh, dass es zwischen all den Steakhäusern auch so ein Restaurant wie unseres gibt." Vegetarische Zutaten seien allerdings schwer zu bekommen, sagt Gabriela Tropezo, die um die Ecke im Restaurant "Buenos Aires Verde" ("Grünes Buenos Aires") kellnert. "Man muss sich auskennen und wissen, wo man die Sachen kaufen kann. Manches muss man auch einfach selber anbauen - Kresse zum Beispiel."

Einen Trend hin zum Fleischlosen sieht Manuel Alfredo Martí, er ist Präsident des argentinischen Vegetarier-Verbands. "Viele junge Leute werden zu Vegetariern und auch einige Prominente haben sich öffentlich dazu erklärt, das hätte es früher nie gegeben". Exakte Zahlen kann Martí aber nicht nennen. "Da hat es bisher keine Umfragen gegeben. Aber allein auf unserer Webseite haben wir bis zu 3000 Besucher pro Tag." Im internationalen Vergleich dürfte die Zahl der argentinischen Vegetarier allerdings eher gering sein - in Deutschland ernähren sich bis zu neun Millionen Menschen fleischlos, ergaben verschiedene Umfragen. Martí gibt sich optimistisch: "Seit ungefähr zehn Jahren gibt es in dieser Hinsicht rasante Veränderungen in der Gesellschaft und die sind nicht mehr aufzuhalten."

Einfach ist Martís Arbeit nicht gerade. In dem südamerikanischen Flächenstaat gibt es mehr Rinder als Einwohner, Steak gilt als Hauptnahrungsmittel und Grillen als Volkssport. 46 000 Tonnen Rindfleisch hat Argentinien nach Angaben des nationalen Erzeuger-Verbandes allein im September exportiert. Eine einseitige Ernährung, soviel ist sicher, aber nicht unbedingt auch eine ungesunde. "Es wurden zwar in vielen Studien Zusammenhänge zwischen einem hohen Konsum von rotem Fleisch und Krankheiten wie Darmkrebs, Gicht, Rheuma, Diabetes und auch zur Sterblichkeit beschrieben - die Datenlage ist aber eher spärlich und die Nachweise sind noch nicht stichhaltig", sagt die Ernährungswissenschaftlerin Ute Gonder.

Ob gesund oder nicht: "Argentinien ist und bleibt das Land des Rindfleischs, und es ist hier immer noch alles andere als normal, Vegetarier zu sein", sagt Kellnerin Tropezo. Essen gehen mit Freunden wird so zum schwierigen Unterfangen. "In den normalen Restaurants stehen 20 Sorten Fleisch auf der Speisekarte, aber kein einziges vegetarisches Gericht. Und wenn ich danach frage, bieten mir die Kellner Hühnchen an oder ein Käse-Schinken-Sandwich - es ist hier einfach noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen, was vegetarisch sein eigentlich bedeutet."

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