Pamuk: "Anna Karenina" bester Roman aller Zeiten

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Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk hält "Anna Karenina" von Leo Tolstoi für den besten Roman aller Zeiten. Die Leser könnten in den Text wie in eine Landschaftsmalerei eintauchen, sagte der Literatur-Nobelpreisträger (2006) am Donnerstagabend (14.1.) bei einem Vortrag in der Berliner Humboldt-Universität.

Beim Lesen eines Romans seien die Details wichtig. Sie könnten den Weg zum Zentrum einer Geschichte weisen. Pamuk unterschied zwei Sorten von Autoren: Die einen dächten beim Schreiben nicht über die Wirkung ihres Textes nach, die anderen reflektierten jedes Wort. Er selbst vereine beide Typen in sich.

"Romane sind wie Träume", sagte Pamuk, der mit seiner Digitalkamera immer wieder Fotos vom überwiegend studentischen Publikum schoss. Die Leser nähmen einerseits an, dass die Geschichten real seien. Andererseits wüssten sie tief in ihrem Inneren, dass dem nicht so sei. Sie fragten sich ständig, welche Passagen eines Romans frei erfunden seien und welche auf realen Erlebnissen des Autors basierten. Ihm selbst werde diese Frage immer wieder gestellt.

Beim Lesen folge jemand den Handlungen und Gedanken der darin vorkommenden Figuren Schritt für Schritt. "Unser Geist arbeitet hart, wenn wir einen Roman lesen", glaubt der Autor. Dessen seien sich jedoch die wenigsten Leser bewusst: Viele seien wie Autofahrer, die nicht sekündlich darüber nachdenken, was sie beim Fahren tun. Viele verspürten beim Lesen schwieriger Texte auch einen gewissen Stolz. Lese jemand einen anspruchsvollen Roman, zum Beispiel von James Joyce, so lobe er sich innerlich dafür, einen derart komplizierten Text zur Hand genommen zu haben. Er selbst habe als Jugendlicher mit Bildungsromanen wie Thomas Manns "Zauberberg" versucht, seinen Geist zu schulen.

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