MADONNA-Blog

Kein Tag wie der andere

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Warum heute irgendwie alles genauso ist wie damals…

Zu den Ereignissen, die ich nicht zwingend finde, gehören Klassentreffen. Meistens lasse ich die Gelegenheit aus, Menschen zu treffen, die ich lange nicht gesehen habe und von denen ich annehme, dass sie nicht jünger geworden sind als ich.
Zwischen 13 und 16 war ich Mitglied eines Sportvereins, und drei verstaubte Pokale im Keller, falls sie je einer findet, erinnern daran, dass ich sportlich als zumindest ausbaufähig eingestuft wurde.

Ich ging also hin.
Es war genau so, wie ich dachte, dass es sein würde. Gabriel war auch da. Eine Art ­Jugendfreund. Gabriel war für seine Entscheidungsschwäche bekannt, vermutlich deshalb kamen wir über das Freundschaftsstadium nie hinaus. Er hatte nicht viel dazugelernt.

Gabriel
saß vor der Speisekarte und quälte sich mit der Entscheidung zwischen Cordon bleu und Wiener Schnitzel. Da ich nicht wollte, dass Gabriel verhungerte, bestellte ich für ihn Schnitzel. „Danke“, sagte er. „Wollen wir nachher noch was trinken gehen?“

 „Vielleicht“,
sagte ich. Gegen Mitternacht erklärte ich, aufbrechen zu wollen. „Soll ich dich fahren?“, fragte Gabriel. „Wenn du willst“, sagte ich. Gabriel war froh, dass ich eine Entscheidung getroffen hatte. Wir fuhren von der Vorstadt in die Stadt. „Gehen wir noch was trinken?“, fragte Gabriel.

Mit 16 hätte ich entweder gesagt „Nein, ich muss ins Bett“ oder „OK, wohin?“ Es kam auf den Fragesteller an, begünstigend auf die zweite Antwort wirkte sich aus, wenn derjenige das T-Shirt nicht in der Hose trug und kein AC/DC-Fan war.
Gabriel war AC/DC-Fan. Ich glaube, der Satz „Nein, ich muss ins Bett“ hat ihn nachhaltig traumatisiert. Um etliche Jahre und Erfahrungen reicher, wählte ich deshalb eine dritte Antwortmöglichkeit: „Eigentlich muss ich ins Bett.“ „Wir könnten mal richtig reden“, sagte Gabriel.

Ich dachte nach.
Er würde mir erzählen, dass er Brückenbau-Ingenieur ist (und was macht man da so?). Dass er nach Berlin gezogen ist (und wie isses da so?). Dass er die Politik für eine Katastrophe hält (und was schlägst du vor?). „War echt nett mit dir“, sagte ich. „Aber leider muss ich diesmal echt ins Bett!“

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