Uschi Fellner

Kein Tag wie der andere

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Warum gute Kunstwerke schwer zu entsorgen sind

Weil morgen Muttertag ist: Hat man als Mama das Schicksal, ein ähnliches      Basteltalent wie mich zu gebären, kann ich nur raten, den Keller zu vergrößern. Die Geschenke, die ich meiner Mutter zu ihrem Ehrentage anbot, waren von nicht zu übertreffender Hässlichkeit und noch heute rechne ich es ihr hoch an, dass sie, um ihre Bestürzung zu verbergen, offenbar tagelang vor dem Spiegel die passenden Gesichtsausdrücke geübt hatte – von „völlig überrascht“ bis „zu Tränen gerührt“.
Mein Verhältnis zu eigenen Muttertagsgeschenken ist großzügig. Freue mich über alles. Gebt mir eine mit gelben Bastfäden und rosa Ohren beklebte Papp-Klorolle, auf der „das ist die liebe Mama“ steht und ich bin von Freude übermannt.
Vielleicht um meine Schmerzgrenzen auszutesten, haben mich meine Kinder über die Jahre mit Tausenden Kunstwerken überschwemmt. Da wir alle nicht in Mü..., Verzeihung, in Kunst ersticken wollen, musste ich ein kinderseelenverträgliches Entsorgungssystem entwickeln und das geht so:
Die Basteleien werden monatelang auf sämtlichen verfügbaren Flächen im Haus ausgestellt, dann in Schubladen gepackt, aus denen man sie zur Not blitzartig ziehen kann (z. B. wenn das große Kind nach monatelangem Auslandsaufenthalt wieder heimkommt und die Heinzelmännchen-Klorolle sucht, die es mit fünf gebastelt hat), dann zum Altpapier gebracht. Falls nicht kurz vor dem Ziel jemand „Hey, warum schmeißt du das weg?“ kreischt und ein vergilbtes Mandala, Baujahr 2001, zwischen alten Zeitungen hervorzerrt.
Dann rette ich das Ding natürlich. Vorläufig. Gute Kunst braucht manchmal vier bis fünf Runden, um es ins Altpapier zu schaffen. Mein Neunjähriger brachte mir zum letzten Muttertag eine Mappe mit zirka 150 Bildern, die er in der Schule während des Jahres gemalt hatte. Seiner Einschulung ins Gymnasium und seiner Studienzeit sehe ich beunruhigt entgegen. Schönen Muttertag!

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