MADONNA-Blog

Kein Tag wie der andere

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Warum durch Nicht-gebacken-Kriegen eine gewisse Leere ensteht...

Wenn an einem Samstag um halb neun Uhr abends Mathildas Mutter anruft, kann das zwei Gründe haben: Erstens, sie will mich erinnern, dass ich für das Schulbuffet noch eine Karottentorte zu backen habe. Zweitens, sie will sich beschweren, weil ich für das Schulbuffet keine Karottentorte buk. „Sie ist weg“, sagte Mathildas Mutter. Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen, wie immer, wenn Mathildas Mutter am Telefon ist. Angenommen, ich wäre 101 Jahre alt und Mathildas Mutter wäre am Telefon, und unsere aufgeweckten Töchter wären bereits schwerhörige Pensionistinnen, ich hätte ein schlechtes Gewissen aufgrund jahrzehntelang nicht gebackener Karottentorten für das Schulbuffet (werde meine Biografie deshalb „Lotti Karotti“ nennen. Mathildas Mutter heißt Charlotte).

„Wer ist weg?“, fragte ich. Es stellte sich heraus, dass Mathilda weg war, ohne Worte des Abschieds gegangen. „Na und?“ sagte ich. „Wie, na und?“, fragte Mathildas Mutter. In ihrer Frage schwang die Unterstellung einer gewissen Herzlosigkeit mit. Nun kann man mir manches nachsagen, aber herzlos bin ich nicht. Ich weine auch bei „Bambi“ (spätestens an der Stelle, wo Mama Reh in einer Wolke erscheint). „Was ist daran auszusetzen?“, sagte ich. „Ich nehme an, Mathilda ist wie alle anderen zum Schulball gegangen?“ Mathildas Mutter schluchzte leise. Es stellte sich heraus, dass Mathilda ihr verboten hatte, auch nur eine Sekunde bei der Abschluss-Festivität des Jahrganges dabei zu sein, zusätzlich war sie mit Fotografierverbot, Abholverbot sowie dem Verbot, andere Mütter anzurufen, um sich über das Verbotene zu beschweren, belegt worden. „Mathilda findet mich nur noch peinlich“, sagte Mathildas Mutter. „Wie ist das bei Ihnen?“

„Ich finde Sie nicht peinlich“,
sagte ich, „und ich bin schon seit Jahren bei diversen Kindern diverse Peinlichkeitsstufen durchlaufen. Man wächst in die Rolle der Peinlichen hinein, irgendwann entwickelt man eine Art unbekümmerte
Peinlichkeit. Dann ist einem nichts mehr peinlich...“

Mathildas Mutter beruhigte sich und legte auf. Kein Wort, ob ich einen Beitrag zum Schulbuffet geleistet hätte. Ob ich buk oder nicht buk. Ihr doch egal! Bin beunruhigt. Womöglich liegt ein karottentortenbefreites Leben vor mir? Nie wieder nicht backen und dafür angepflaumt werden? Hm. Irgendwie war’s schön.

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