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... trotzdem will sich keiner der kleinen Sofia annehmen

Stellen Sie sich vor, es klingelt um 6.45 Uhr an Ihrer Tür. Draußen stehen ein Richter, vier Gerichtsvollzieher und acht Polizisten – mit dem Auftrag, Ihnen Ihr Kind zu entreißen, mitzunehmen und nach Italien zu schicken. Zu dem Mann, den sie vor über fünf Jahren verlassen haben, weil er sie psychisch gequält hat. Zu dem Mann, der gedroht hat, sich an Ihnen und Ihrem Kind zu rächen, wenn sie gehen. Zu dem Mann, den ihr Kind seit fünf Jahren nicht gesehen hat und mit dem ihr Kind auch nicht sprechen kann, weil es nicht seine Sprache spricht...
Der Fall Sofia (s. S. 18) ist so unfassbar wie die Tatsache, dass der Vater des sechsjährigen Mädchens sich zu keiner halbwegs vernünftigen Lösung erweichen lässt. Dass Gerichte im In- und Ausland schalten und walten können, ohne eine Sekunde an das individuelle Wohl des Kindes zu denken. Und dass sich Politiker hinter Gesetzen und Zuständigkeiten verstecken – anstatt einmal Farbe zu bekennen, aus den gewohnten und ach so bequemen Bahnen der Bürokratie auszubrechen und (zumindest zu versuchen) zu helfen. Wenn schon nicht aus menschlich-moralischen Motiven, dann doch vielleicht aus taktischen Gründen: Immerhin ist doch Wahlkampf – und ein bisschen Empathie käme bei den Wählern bestimmt gut an. Auch wenn sie nur geheuchelt ist...

Daniela Schimke ist MADONNA
Chefredakteurin. d.schimke@oe24.at

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