Mehr Mut zur Menschlichkeit

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Daniela Schimke schreibt über eine Ehefrau mit der Kraft einer Löwin.

Stille als wir die Terrasse des Do & Co in der Albertina betreten, in dem wir uns zum Interview treffen. Habe ich etwas zwischen den Zähnen? Ist mein Rock doch zu kurz für meine Beine, dass alle außer einer Gruppe italienischer Touristen verstummen und gaffen? Ich verfolge den Blick der elitären Gäste – der Blick gilt weder meinen Zähnen, noch meinen Beinen. Er gilt der schönen, eleganten Frau mit dunklem kurzem Haar, einem feschen Sommerkleid und lässigen, flachen Schuhen. Der Frau, die mich zu dem Tisch begleitet, an dem wir gleich sitzen und plaudern werden. Plaudern über die letzten Jahre, die ihr Leben für immer verändert haben, die Haft ihres Mannes, den "Staatsfeind Nummer 1" , um den sie bangt und für den sie seit dreieinhalb Jahren Tag für Tag kämpft wie eine Löwin.

"Ruth Elsner…., Verbrecher…, Penthouse…., geschieht ihr recht…", höre ich die Menschen am Nebentisch zischen, während sie Scampi und Hummer in sich hineinstopfen und ihre Ohren am liebsten wie Inspector Gadget zu uns herüber teleskopieren würden.

Keine Frage, man kann darüber streiten, was dieser ehemalige "Staatsfeind Nummer 1" (Jörg Haider und Co. liefen ihm wohl kürzlich den ersten Rang ab), dieser zu neuneinhalb Jahren Haft nicht rechtskräftig verurteilte Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner getan oder nicht getan hat. Man kann darüber streiten, ob er "Bauernopfer" eines Systems ist, das mal einem Marionetten-, dann wieder einem Kasperltheater gleicht, ob er wegen seines schlechten Krankheitszustandes aus der U-Haft entlassen werden sollte, oder nicht – ob all das gerecht ist... Nicht streiten kann man jedoch darüber, dass diese Frau, die mir gegenüber sitzt, stark ist. Weil sie nicht – wie es wohl viele getan hätten – auf und davon ist, als die schlechten Zeiten anbrachen. Als sie nicht mehr mit dem Privatjet an die Côte d’Azur fliegen konnte, sondern stattdessen zweimal in der Woche am Eingang der Justizanstalt Josefstadt mit einem Packerl Wäsche steht und darauf wartet, 30 Minuten mit ihrem Mann hinter eine Glasscheibe zu sprechen. Ich weiß, sie ist nicht mit ihrem Schicksal allein und dass das nun einmal so ist, wenn der Ehemann ins Visier der Justiz geraten ist. Es ist auch nicht unbedingt Mitleid, dass man Ruth Elsner entgegen bringen muss – dafür aber Achtung vor ihrer Menschlichkeit, an der es in diesem Land leider sehr vielen fehlt.

P.S. An alle an den Nebentischen: Nein, es war nicht Ruth Elsner, die das Do & Co in der Albertina als Ort für das Interview wählte. Und auch die Rechnung habe ich übernommen – und ich habe es gerne getan.

Das Interview mit Ruth Elsner lesen Sie am Samstag, 7. August in MADONNA!

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