MADONNA Blog

Karl Lagerfeld hinter die Brille geschaut

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Alexandra Stroh schreibt über die berührende Begegnung zwischen Karl Lagerfeld und Maleen.

Seit zwei Stunden gibt er der Weltpresse jetzt schon geduldig Interviews, wechselt mühelos vom Deutschen ins Englische, parliert französisch im Eiltempo. Maleen und ich warten geduldig hinter einer Mauer von Leibwächtern, die Karl Lagerfeld an diesem denkwürdigen Abend in Paris beschützen – wir sind zur Chanel Haute Couture Schau von König Karl geladen. Vergleichbar mit einer Privataudienz beim Papst, nur viel schicker.

Auf einmal schaut er in unsere Richtung, dann trifft sich ihr Blick. Als Lagerfeld Maleen sieht, wechselt sein Businessgesicht. Es wird weich. Sofort ruft er seine zarte, tapfere Freundin aus Wien zu sich. Maleen leidet an Lungenhochdruck. Das ist lebensgefährlich, und die Nebenwirkungen der Medikamente, die ihr alle sechzig Sekunden mitten ins Herz gepumpt werden, sind hart. „Wie geht es dir, liebe Maleen“, fragt Karl, der heute der Nabel der Welt in Paris ist. Und das ist mehr, als nur eine Frage nach der Befindlichkeit.

Karl Lagerfeld, Genie, Künstler und Meister der Selbstinszenierung, kann sich sofort an Maleen erinnern. Er hat sie vor acht Monaten einmal getroffen. Aber hier, im Grand Palais von Paris, an seinem großen Abend, nämlich dem, wo es die Königsdisziplin der Mode – die Haute Couture – zu präsentieren gilt, hier erinnert er sich sofort an seine kleine, tapfere Freundin. Als er Maleen in den Arm nimmt und begrüßt, kann ich hinter seine obligate Sonnenbrille – Teil des Gesamtkunstwerks Karl Lagerfeld – blicken. Und da sehe ich ihn: Den liebevollen Blick.

Wer glaubt, Lagerfeld sei ein affektierter Modedesigner, verliebt in die eigene Attitüde, irrt. Der Blick, der in diesen Minuten nur Maleen gilt – die Hundertschaft der wartenden Journalisten lässt er gerade mal links liegen – ist warm, weich, voll Mitgefühl und aufrichtigem Interesse für diesen zarten Teenager, den das junge Leben schon vor harte Prüfungen gestellt hat. Ich sehe hinter die Brille und auf einmal kann ich fühlen, was er fühlt. Zuneigung und Respekt für ein Mädchen, das den boshaften Widrigkeiten des eigenen Lebens mit Humor und Inspiration trotzt. Immer wieder. Ich kann in diesen warmen Karl Augen hinter der dunklen Brille sehen, was ihn mit dem zarten, tapferen Mädchen, Maleen, verbindet. Die Liebe zur Eleganz. Ich kann in diesen liebevollen Augen hinter dunklem Glas den Mensch Karl Lagerfeld sehen. Ich sehe, wie zart er ist. So zart wie Maleen.

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