Wiens weiße Herren-WG: Die Lipizzaner

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Sie sind vermutlich Österreichs bekannteste Herren-WG: Die 73 Hengste der Hofreitschule in Wien. Dabei sind die Junggesellen in der Stallburg eigentlich Steirerbuben mit spanischen Wurzeln. Durch die iberischen Besitzungen der Habsburger gelangten die Edelrösser nach Wien.

Heute findet sich die Kinderstube der Publikumslieblinge im steirischen Gestüt Piber, wo eine Herde aus rund 70 Mutterstuten für steten Nachwuchs sorgt. Ursprünglich wurden die weißen Pferde im heute slowenischen Lipica gezüchtet - daher auch der Rassenname, der allerdings erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auftaucht. Zuvor hießen die Rösser "Karster", abgeleitet vom im Karstgebirge bei Triest liegenden Gestüt.

Mit dem Ende der Monarchie 1918 und dem Zerfall des Vielvölkerstaates änderte sich der Zuchtort jedoch. Die Luxusgeschöpfe mussten nach dem Weltkrieg geteilt werden: So verblieb ein Teil der kriegsbedingt bereits ausgelagerten Herde im tschechoslowakischen Kladrub, Italien erhielt einige Exemplare, 97 Stuten und Fohlen wurden Österreich zugesprochen. Hinzu traten die 250 bereits in Wien befindlichen Schul- und Zugpferde. Seither dient Piber als Kinderstube der weißen Hengste.

Dabei war in früheren Zeiten eine große Farbpalette bei den Lipizzanern vorhanden. Nach 200 Jahren gezielter Zucht wechseln mittlerweile aber 99 von 100 Jungtieren im Alter von sechs bis neun Jahren ihre dunkle Fellfarbe auf das bekannte Weiß. Das verbleibende eine Prozent bleibt Rappe oder Brauner. Die Schulterhöhe der laut Rassebeschreibung ausgeglichenen, jedoch eifrig arbeitenden Pferde ist mit 155 bis 165 Zentimetern überschaubar.

Die heutigen Lipizzaner gehen auf sechs Stammväter aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert zurück. Die sogenannten Hengstlinien leiten sich dabei jeweils auf eines der Ausnahmerösser Pluto, Conversano, Favory, Neapolitano, Siglavy und Maestoso zurück. Auch die mütterliche Linien sind klar herleitbar - so werden die Tiere in Piber heute in 17 Stutenfamilien gehalten. Der Name der Hengste setzt sich dabei heute aus den beiden Namen der Ureltern zusammen, also beispielsweise Conversano Dagmar.

Mit dreieinhalb Jahren übersiedeln die besten steirischen Junghengste in die Stallburg nach Wien. Bis ihre Ausbildung in der Hohen Schule vollendet ist, dauert es weitere fünf bis sechs Jahre, die von hartem Training gekennzeichnet sind. Während ihrer Bühnenkarriere bleiben die Hengste - abgesehen vom jährlichen, amourösen Ausflug nach Piber als Deckhengst und der sechswöchigen Sommerfrische im niederösterreichischen Kleinwetzdorf - bis zum Alter von rund 25 Jahren in Wien. Wenn sich erste Ermüdungserscheinungen zeigen, kehren die betagten Herren dann nach Piber zurück, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Mit oftmals über 30 Jahren werden Lipizzaner überdurchschnittlich alt für ein Pferd.

Für die Stuten erfolgt die allgemeine Schulung als Reit- und Fahrpferd in Piber bis zum Alter von fünf Jahren. In dieser Zeit entscheidet sich, ob sie als Zuchttier aufgenommen und im Alter von fünf Jahren das erste Mal gedeckt werden. Weitere bedeutende Zuchten neben Piber finden sich im slowakischen Topolcianky, wohin die Kladruber Pferde gebracht wurden, im italienischen Monterotondo und mittlerweile auch wieder dem slowenischen Lipica. Ein gewisses Problem ist die geringe Populationsgröße der Lipizzaner, da nach wie vor verhältnismäßig wenige Tiere auf Privatweiden stehen. So bedrohte Mitte der 1980er Jahre ein Virus beinahe den Fortbestand, als zahlreiche Tiere dahingerafft wurden.

INFO: http://www.srs.at/

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