Der Jüdische Friedhof von Lódz

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Eindrucksvoll ist der Jüdische Friedhof von Lódz noch immer: Lange Alleen mit alten Bäumen gibt es dort, Grabdenkmäler, die an antike Tempel erinnern und Tausende von Grabsteinen dicht nebeneinander. Manche sind verwittert, auf etlichen sind die Inschriften nicht mehr zu lesen. Viele Gräber sind von Efeu überwuchert. Die meisten stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

Heute ist die jüdische Gemeinde der Stadt klein, doch einst war sie die zweitgrößte in Polen nach der in Warschau. Und der Friedhof ist der größte seiner Art in Europa: 180.000 Grabsteine stehen dort, viele davon sind auch kunsthistorisch interessant. Der Jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee hat zwar eine größere Fläche, aber längst nicht so viele Gräber wie der von Lódz, der in vielerlei Hinsicht erstaunlich ist. Das fängt schon damit an, dass es ihn überhaupt noch gibt. Denn die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg haben nicht nur die jüdischen Gemeinden ausgelöscht, die Juden deportiert und ermordet, sondern auch fast alle Synagogen zerstört und die Spuren jüdischer Kultur vernichtet. Auch der alte jüdische Friedhof von Lódz aus der Zeit vor dem Jahr 1900 fiel ihnen zum Opfer.

"Im 19. Jahrhundert war ein Drittel der Einwohner Juden. Bei Beginn des Krieges lebten hier rund 230.000", erzählt Anna Józwiak und zeigt auf das Friedhofstor mit dem Davidstern. Die Nazis machten einen Teil der Stadt zum Ghetto "Litzmannstadt". "Im Ghetto waren 200.000 Juden eingesperrt. Nur ein kleiner Teil, vielleicht 800 von ihnen, hat überlebt." Auch einige der Ghetto-Toten wurden auf dem Jüdischen Friedhof bestattet. Viele Gräber sind allerdings älter und stammen aus der Zeit, als Lódz eine aufstrebende Industriestadt war, die schneller wuchs als jede andere in weitem Umkreis.

Kaufleute, Bankiers und andere Honoratioren der Stadt, die es zu Geld und Einfluss gebracht hatten, zeigten das auch auf den Friedhöfen - egal, zu welcher Religion sie gehörten. Und so gibt es auf dem Jüdischen Friedhof einige erstaunliche Beispiele dieser Grabkultur aus dem wohlhabenden Bürgertum, das sich in der Stadt Paläste baute und über den Gräbern genauso prunkvolle Mausoleen.

Izrael Poznanski zum Beispiel war der berühmteste jüdische Fabrikant der Stadt. Mit seinen Textilfabriken hatte er ein Vermögen gemacht. Er ist mit seiner Frau Leonia in einem Mausoleum begraben, an dem er nicht gespart hat. "Es ist das größte jüdische Grabmal in Europa, sieben Meter hoch und zehn Meter im Durchmesser", erklärt Anna Józwiak. "Innen ist es mit zwei Millionen Mosaiksteinchen ausgestattet." In großen Buchstaben steht "Poznanski" an der Vorderseite, vor der sich heute oft Touristen drängen, um einen Blick durch die Säulenfront zu werfen.

Aber auch viele andere Grabdenkmäler sind auffallende Beispiele für jüdische Sepulkralarchitektur. Oft waren die Bildhauer angesehene Künstler. Das Grabmal der Familie Prussak zum Beispiel erinnert an ein Baldachin auf vier Säulen, unter dem man auf vier Stufen nach oben schreitet. Viele Grabmäler sind im Jugendstil gebaut worden, wie das der Familie Rappaport. Auch die Eltern des aus Lódz stammenden berühmten Pianisten Artur Rubinstein sind auf dem Jüdischen Friedhof begraben. Ihr vergleichsweise schlichter Grabstein ist erhalten. Und typische jüdische Gräber, Mazzewa genannt, gibt es noch Zehntausende.

Der Grabstein besteht meist aus Sand- oder Kalkstein. Oft ist er mit Symbolen wie dem Davidstern oder segnenden Händen dekoriert. Ein Buch weist darauf hin, dass der Tote ein Gelehrter war, "ein Leuchter zeigt, dass es ein Frauengrab ist", erklärt Anna Józwiak. "Denn die Frauen hatten die Aufgabe, zum Beginn des Schabbats die Leuchter anzuzünden." Viele der Juden, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden, haben zwar kein Grab. Aber an sie erinnern Gedenktafeln an der Friedhofsmauer, die von Verwandten aus den USA, Australien und allen Teilen Europas dort angebracht wurden.

INFO: www.polen.travel, www.cityoflodz.pl

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