"Ganz im Leben": Beachtung von Körper und Seele

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Die Tatsache, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung verstärkt zu körperlicher Erkrankung neigen, ist zwar bekannt, trotzdem werden die Wechselwirkungen zwischen seelischer Gesundheit und Körper noch immer unterschätzt. Um mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, wurde im Vorjahr auf europäischer Ebene die Initiative "Mental & Physical Health" gegründet.

Hierzulande soll diese nun unter dem Titel "Ganz im Leben - Österreichische Plattform für seelische und körperliche Gesundheit" umgesetzt werden, wie es am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Wien hieß. "Etwa jeder Vierte erleidet im Laufe seines Lebens eine psychische Erkrankung wie Depression, Angststörung oder Schizophrenie", sagte Siegfried Kaspar, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien. "Entgegen der herkömmlichen Meinung ist die häufigste Todesursache von psychisch Erkrankten nicht Suizid, sondern meist eine Herz-Kreislauferkrankung." Psychisch Kranke hätten ein doppelt so hohes Risiko, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben; etwa 15 Prozent der Herzinfarktpatienten leiden an einer schweren Depression, so Kaspar. Bei einem Großteil der Betroffenen würde die Krankheit nicht als solche erkannt, was auch am Stigma psychischer Erkrankungen läge.

Aber auch dem Zusammenhang von Diabetes und Depression sollte mehr Beachtung geschenkt werden: "In Österreich gibt es vermutlich 600.000 Diabetes-Kranke - und 420.000, die es auch wissen", erklärte Bernhard Ludvik von der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien. Rund 75 Prozent der Diabetes-Patienten werden laut Ingrid Pichler von der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) in einer allgemeinmedizinischen Praxis betreut; rund 25 Prozent der Betroffenen leiden an einer Depression. Oft werde hier auf die Wechselwirkungen wie z. B. eine verschlechterte Einstellung des Diabetes oder eine Gewichtszunahme durch Antibiotika vergessen, erläuterte Ludvik.

Etwa 8.000 Menschen gehen laut Werner Schöny von Pro mente Austria mittlerweile jährlich in Österreich wegen psychischen Erkrankungen in Frühpension: "42 Prozent der Angestellten - hier ist es die Ursache Nummer eins für Frühpensionierungen - und 29 Prozent der Arbeiter", sagte der Psychiater. Entsprechende stationäre Bereiche seien "am Rande ihrer Kapazitäten", man steuere auf einen Facharztmangel besonders in der Psychiatrie zu und in bestimmten Bereichen gebe es zu wenig Angebot. Schöny forderte auch entsprechende finanzielle Mittel.

Im Rahmen der Plattform soll u. a. auf Kongressen und Fachveranstaltungen stärker vernetzt, die Öffentlichkeit stärker auf das Problem aufmerksam gemacht sowie die Politik angesprochen werden.

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