Der Kinoleindwandgeher

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Regisseur Michael Pfeifenberger hat in "Der Kinoleinwandgeher" das Unmögliche versucht: Die Bilder des Kärntner Autors Josef Winkler zu bebildern. Das Porträt - anders soll das 85-minütige Werk nicht verstanden werden - ist eine anarchische Tour de Force durch Winklers schmerzvolle Episoden, ob im heimatlichen Drautal, Mexiko oder Indien.

Schon einmal ist ein heimischer Künstler an Winklers Bilderfluten gescheitert: Komponist Dieter Kaufmann vervielfachte in seiner Oper "Requiem für Piccoletto" nach der Novelle "Natura Morta" die Gedankenstränge auf mehreren sinnlichen Ebenen: Tanz, Video, Musik... Pfeifenberger geht behutsamer mit den Texten um. Als "Fan", wie er sich selbst bezeichnet, ist das geboten. "Der Kinoleinwandgeher" ist kein Bio Pic, sondern eine Gedanken-Montage. Mit wenig Budget hat man sich an Originalschauplätze begeben und teils illustrierende, teils wild assoziative Bilder eingefangen oder nachgestellt.

Alles beginnt im Kino, wo Winkler seit jeher Inspiration schöpft. So beobachtet der Autor, der sich im Film selbst spielt, sein kindliches Alter Ego beim Betrachten eines Winnetou-Films. Milde lächelnd entsteigt er der Kinoleinwand und tritt in den Alptraum, der in Kamering im Drautal beginnt. Bäuerlich-katholische Erziehungsgewalt, klerikale Keuschheitsgürtel, die einem die Luft abschneiden. "Ich hoffe, dass man mich des Mordes anklagt, denn meine Sätze unterscheiden sich von der blutigen Tat wiederum nur durch Ohnmacht", rezitiert Regisseur Peter Patzak - einst Mentor des Regisseurs - mit sonorer Stimme aus "Menschenkind".

Aus "Menschenkind" stammen auch die Bilder jener zwei Buben aus Kamering, die in der gesellschaftlichen Enge nur mehr den Strick als Ausweg fanden. Und so geht es mit Winklers Prosa weiter, dem Leib Christi, brechenden Knochen beim Schlachten, und immer wieder Indien und Mexiko: der alles schluckende Ganges und der alles ausbrechende Popocatepetl. Pfeifenberger versucht, mit seinen Bildern und der Musik, dem Autor einen Schuss blauäugige Hoffnung zu schenken und mit Gegenschnitten Auflösung zu beschwören.

Der in gewissen Gegenden Kärntens verstoßene Winkler zieht seine reale Familie wie einen Rettungsanker in das Filmgeschehen. "Ich bin gegen das Gebet aber ich bete", meint er symptomatisch für seine Zerrissenheit zwischen verstoßener katholischer und anderswo wiedergefundener Mystik. Er kann vor allem das Schreiben nicht aufgeben, denn: "Wenn mich im Kärntner Drautal nicht so viele Menschen verachten und hassen würden, hätte ich mir längst schon den Garaus gemacht, aber denen den Gefallen tun?"

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