Ein Literaturkochbuch aus Österreich

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"Wir werden das schon alles verstehen", sagt ein älterer Berliner zu seinen Begleitern, als sie im großen Saal der österreichischen Botschaft in Berlin Platz nehmen. Ein österreichisches Literaturkochbuch wurde am Donnerstag vergangene Woche Abend präsentiert, "Williges Fleisch, schwaches Federvieh" heißt es.

Darum sind auch viele Auslandsösterreicher unter den Zuhörern, in erster Linie wohl aus sentimentalen Gründen, da der Abend im Zeichen von Krautfleckerln und Lungenbraten zu stehen verspricht. "Schön gestaltet, gediegen gebunden", charakterisiert der österreichische Kulturattaché zu Beginn der Veranstaltung das in Rosa und Weinrot gehaltene Werk. Beatrix Müller-Kampel, Literaturprofessorin aus Graz und Mitherausgeberin des Buches, schildert dann, wie es dazu gekommen ist. Sie habe etwas Sinnvolles und Sinnliches machen wollen, sagt sie, und: "Zugleich koche ich unheimlich gerne."

Den Anstoß für das Buch habe aber der zweite Herausgeber, Wolfgang Schmutz, gegeben, der bei ihr eine Diplomarbeit geschrieben und dann dazu angeregt habe. "Von Abraham a Sancta Clara bis Friedrich Achleitner haben wir gesammelt", erinnert sich Müller-Kampel. Lange seien sie deswegen in Bibliotheken gesessen. "Das Internet hat überhaupt nichts gebracht", sagt die Germanistin. "Man versinkt in Zehntausenden Hinweisen."

Von ihrem Mann sei allerdings der Hinweis auf Roda-Rodas "Gans von Podwolotschyska" gekommen. Diese Geschichte liest umgehend der Dramaturg Hermann Beil vor. Und "Vom Rindfleisch" von Theodor Kramer. Und "einen kleinen rustikalen Happen" von Werner Schwab. Die Österreicher im Publikum seufzen mitunter wehmütig, wenn vertraute Speisenbezeichnungen genannt werden.

"Wir haben gesammelt, die Geschichten glossiert, Rezepte hinzugefügt und hinten Biografien der Schriftsteller angehängt", sagt Müller-Kampel. Herausgekommen ist ein durchaus schmackhaftes Lesegericht: Die Kapitel sind der Greißlerin und dem Koch ebenso gewidmet wie einzelnen Speisen. Die Autoren lesen sich wie ein Who is Who der österreichischen Literatur: Von Johann Nestroy bis Alfred Komarek, von Franz Grillparzer bis Thomas Bernhard, aus dessen Dramolett über Claus Peymann sein Kompagnon Beil die im Gasthaus "Zauberflöte" spielende Passage liest. Dann erzählt er launig, wie schwierig es an den jeweiligen Orten sei, wo er und Peymann mit dem Stück auftreten, die für die Szene notwendigen übergroßen Schnitzel zu bekommen.

Nach jeder Textprobe im Buch steht ein erläuternder Text, gefolgt von einem dazu passenden Kochrezept - für Briochekipferln oder Krenfleisch etwa. Als besonders lesenswert eröffnen sich schließlich die Kurzbeschreibungen der Autoren und ihrer Werke am Ende des Buches. Ist man dort angelangt, besteht kein Zweifel: Die Österreicher sind ein Volk der Phäaken. Im Ausland scheint das aber nicht zu gelten, denn nach der üppigen akustischen Labung mit Faschiertem, Schweinsbraten und Zibebenstrudel erwartet die Zuhörer des Abends im Vorraum des Botschaftssaales lediglich Knabbergebäck zum Wein.

INFO: Beatrix Müller-Kampel und Wolfgang Schmutz (Hg.): "Williges Fleisch, schwaches Federvieh. Das österreichische Literaturkochbuch", Mandelbaum Verlag, 284 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-85476-316-1

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