Herta Müller: Chronistin von Ausgrenzung

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2001 tauchte die im rumänischen Banat geborene und heute in Berlin lebende Schriftstellerin Herta Müller das erste Mal in den Nobelpreis-Spekulationen auf. Seither ist nicht nur ihr Werk und die Liste der an sie verliehenen Auszeichnungen, sondern auch ihr Ruhm beständig gewachsen.

Längst sind ihre österreichischen Würdigungen - 1997 der Literaturpreis der "Franz-Nabl-Preis" der Stadt Graz, 1999 der in Klosterneuburg verliehene Franz-Kafka-Preis - von prestigereicheren Auszeichnungen überflügelt. Nach dem heute zuerkannten Literatur-Nobelpreis 2009 geht es wohl nicht mehr höher. Auch der kommenden Montag vergebene Deutsche Buchpreis, für den sie mit ihrem jüngsten Roman "Atemschaukel" hervorragend im Rennen liegt, wäre da nur noch ein Appendix.

Als Sprachartistin und Erinnerungskünstlerin wurde die am 17. August 1953 in Nitzkydorf geborene Herta Müller in den zahllosen Laudationes der vergangenen Jahre immer wieder gewürdigt. Als Rumänien-Deutsche musste sie die Gewalt- und Unterdrückungs-Mechanismen der Ceausescu-Diktatur am eigenen Leib erfahren und schrieb seither in ihren Büchern mal lakonisch-knapp, mal lyrisch-surreal an einer Chronik von Leid, Ausgrenzung und Bedrohung des Menschen durch totalitäre Systeme.

Herta Müller studierte Germanistik und rumänische Literatur an der Universität Temeswar in Rumänien. Sie arbeitete als Übersetzerin in einer Maschinenbaufabrik. Als sie sich weigerte, für den rumänischen Geheimdienst Securitate tätig zu werden, wurde sie entlassen und arbeitete als Deutschlehrerin. Ihr erstes Buch "Niederungen" wurde zensuriert veröffentlicht. Nach einer Folge von Repressionen, Verhören und Hausdurchsuchungen konnte sie 1987 nach Berlin übersiedeln.

Müller beschäftigte sich nicht nur mit der Diktatur, sondern auch mit den nationalen Minderheiten in Osteuropa. Bekannt wurden vor allem ihre Bücher "Der Fuchs war damals schon der Jäger" (1992) und "Herztier" (1994), aber auch "Heute wär ich mir lieber nicht begegnet" (1999), "Der König verneigt sich und tötet" (2003) und "Die blassen Herren mit den Mokkatassen" (2005).

Herta Müllers neuer Roman "Atemschaukel" (Hanser Verlag) hat zwei Hauptfiguren: Den am Anfang 17-jährigen Ich-Erzähler Leo, der von fünf Höllenjahren in einem sowjetischen Arbeitslager berichtet, und den "Hungerengel", Leos allgegenwärtigen Begleiter. In das eindringliche Buch sind Erfahrungen von Herta Müllers Mutter, die 1945 wie Zehntausende andere als Siebenbürger Sachsen zu Zwangsarbeit in die Ukraine verschleppt worden war, ebenso eingeflossen wie jene des Schriftstellers Oskar Pastior, der mit Müller bis zu seinem Tod 2006 an dem Buch gearbeitet hat.

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