Ministerin im MADONNA-Talk

Pamela Rendi-Wagner über Differenzen der Geschlechter

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Frauen verdienen immer noch im Durchschnitt ein Viertel weniger als Männer. MADONNA sprach mit Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (46) über die Gründe dieser Differenz und ihr weiteres Vorgehen.

Hätten Frauen das Kommando auf der Welt, bezweifle ich, dass acht davon denselben Reichtum hätten wie 50 Prozent der armen Weltbevölkerung, konstatiert Comedian Bridget Christie in der Tageszeitung The Guardian: „Wenn eine Gruppe von Männern, deren kombiniertes Vermögen demselben gleicht wie dem von 3,6 Milliarden Menschen, ausgelassen zusammen auf einem Trampolin Platz haben, dann ist es Zeit für einen Führungswechsel.“ Diesen Gedanken keinesfalls vergessend, wäre es für Österreich überhaupt einmal erstrebenswert, gleiche Chancen zwischen Mann und Frau zu schaffen. 24 Prozent verdient die weibliche Hälfte der Bevölkerung im Durchschnitt weniger. Das liegt an der Wahl der Branche, der Tatsache, dass Frauen schwanger werden können und so weniger attraktiv für Arbeitgeber sind – und: Frauen sind tendenziell schlechtere Verhandlerinnen, wenn es um Gehaltsgespräche geht. Aber: Ist es nicht auch Diskriminierung, diese Punkte gegen das weibliche Geschlecht zu verwenden? Werden Frauen diskriminiert und hat die Gehaltsschere eine Berechtigung? Wie kann es sein, dass gleiche Arbeit ungleich bezahlt wird? Entgegen der Annahme von vor 30 Jahren, ist es auch im Jahr 2017 noch ein weiter Weg bis zur Gleichstellung der Geschlechter. Im Talk mit MADONNA schlüsselt Frauen- und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner einige der wesentlichen Differenzen in Österreich auf.

Ganz aktuell: Gemeinsam mit der Bundesfrauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek haben Sie den Antrag zur Quote in der Privatwirtschaft eingebracht. Sie sagten, „dass die Quote wirkt, wissen wir aus den staatsnahen Betrieben“. Wie genau „wirkte“ die Quote denn?
Pamela Rendi-Wagner:
Der Bund geht mit der selbst gesetzten Quote für staatsnahe Unternehmen mit gutem Vorbild voran, dort haben wir bereits 40,3 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten. In der Privatwirtschaft gibt es aktuell nur einen Frauenanteil von 18 Prozent Frauen in Aufsichtsräten – und in der Geschäftsführung überhaupt nur 7 von 100. Dabei sind die Hälfte aller Erwerbstätigen Frauen. Mit der Quote wird also jetzt ein Stück mehr Gerechtigkeit geschaffen, denn sie sorgt dafür, dass die gläserne Decke durchbrochen wird, und macht den Weg für Frauen an der Spitze frei.

Warum sind Frauen nach wie vor damit konfrontiert, sich hier nachsagen lassen zu müssen: „Du hast den Job ja nur wegen der Quote?“ Hat die Frage eine Berechtigung?
Rendi-Wagner:
Wenn es erst ein Instrument braucht, damit qualifizierte Frauen in Top-Positionen kommen, dann setzen wir das ein – und das wird jetzt mit dem Quotengesetz für Aufsichtsräte gemacht. Es profitieren nachweislich auch Unternehmen und Wirtschaft von diverseren Führungsteams. Es wäre nicht klug, auf das Potenzial der Hälfte der Bevölkerung zu verzichten.

Worin sehen Sie die grundlegenden Unterschiede zwischen Mann und Frau, die nach wie vor zu einer Gehaltsdifferenz von circa 24 Prozent führen?
Rendi-Wagner:
Einerseits übernehmen Frauen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Arbeit – Karenz, Kinderbetreuung, Haus- und Pflegearbeiten – und haben dadurch Nachteile im Erwerbsleben. Sie arbeiten viel häufiger Teilzeit als Männer und verdienen dementsprechend weniger, sind aber auch stärker in Branchen tätig, die schlechter bezahlt sind als typische „Männerberufe“ und weniger häufig in Führungspositionen zu finden. Dazu kommt auch noch schlicht und einfach Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Das ist zwar gesetzlich nicht erlaubt, passiert aber trotzdem.


Bei den Bildungsabschlüssen haben Frauen die Männer bereits überholt. Warum spiegelt sich dies nicht auch in der Arbeitswelt wider?
Rendi-Wagner:
Frauen sind zwar mittlerweile besser ausgebildet, aber in schlechter bezahlten Branchen tätig. Wir wissen aus Studien auch, dass Frauen und Männer, die beim Berufseinstieg noch gleich verdienen, über die Jahre hinweg unterschiedliche Karriere- und auch Verdienstverläufe haben. Das liegt wiederum an Auszeiten aufgrund von Kinderbetreuung, Teilzeitphasen und  geringeren Aufstiegsmöglichkeiten.


Was sind Punkte, die in Österreich geändert werden müssten, um Frauen ein gleiches Gehalt bzw. ein gleiches Arbeitsumfeld wie Männern zu ermöglichen?
Rendi-Wagner:
In Österreich reden wir wenig über Geld. In Schweden kann man  Einkommen einsehen.  Wenn Frauen wissen würden, was ihre männlichen Kollegen verdienen, würden sie auch anders, und zwar gestärkt, in Lohnverhandlungen hineingehen. Das ist sicher ein großer Punkt. Außerdem müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es Frauen und Männern möglich machen, für sich selbst zu entscheiden, ob und wie lange sie in Karenz gehen, wann sie wieder in den Job einsteigen, oder welcher Elternteil länger bei den Kindern bleibt. Solange Kindergärten um 13 Uhr zusperren oder für unter Dreijährige keine Plätze da sind, ist das nicht gewährleistet.

In Ländern wie Schweden oder Finnland ist es üblich, die Kinder um 17 Uhr von der Schule abzuholen. In Frankreich ist die Karenzzeit wesentlich kürzer für Frauen und das Angebot an Kindertagesstätten, Kindergärten etc. wesentlich größer. In Island gehen fast alle Männer in Karenz, da die Karenzzeit der Mutter ebenfalls wesentlich kürzer ist. Wieso funktionieren diese Dinge nicht in Österreich?
Rendi-Wagner:
In skandinavischen Ländern ist klar, dass der Kindergarten die erste Bildungseinrichtung ist, von der die Kinder und die Gesellschaft unheimlich profitieren. Da können wir uns etwas abschauen. Es ist auch eine Mentalitätsfrage. Wir stecken teilweise noch in alten Mustern fest, sind aber auf dem richtigen Weg.

Zur Still-Debatte: Im November 1990 sorgte die Grüne-Abgeordnete Christine Heindl für Furore im Österreichischen Parlament, da sie ihren Sohn im Sitzungssaal stillte. „Dass er Hunger kriegt, war nicht geplant“, sagte sie damals im Interview. Jetzt ist die Debatte gerade unter Politikerinnen auf der ganzen Welt ein brisantes Thema (Carolina Bescansa in Spanien, Larissa Waters in Australien, Unnur Bra Konradsdottir in Island). Wie geht die Debatte mit der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf für Frauen einher?
Rendi-Wagner:
Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht. Selbstverständlich stillen Frauen in der Öffentlichkeit! Stillen ist die einfachste und natürlichste Art, ein Baby zu ernähren und bringt gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind. Innerhalb der ersten  sechs Monate eines Babys ist Muttermilch die beste und oft ausschließliche Nahrungsquelle. Sollen Frauen sich in dieser Zeit zu Hause einsperren?

Sie sind ja selbst oft mit Vorurteilen konfrontiert: „eine zu gute Figur“, „die Frisur sitzt viel zu gut“, „sie kleidet sich zu modisch“. Auch für Ihr modisches Outfit von Austro-Designer Petar Petrov am Life Ball  wurden Sie kritisiert. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Art von frauenspezifischen Vorurteilen um? Darf man als Politikerin roten Lippenstift tragen?
Rendi-Wagner:
Ich finde es bemerkenswert, dass bei Frauen anscheinend immer noch viel stärker auf das Aussehen geachtet wird als bei Männern. Wichtig sollte doch sein, wofür jemand steht, und nicht, was jemand trägt. Persönlich versuche ich, möglichst wenig auf diese Art von Fragen einzugehen, um die von Ihnen angesprochenen Vorurteile nicht zu bedienen und inhaltlichen Themen mehr Raum zu geben. Und zum Life Ball: Ehrlich gesagt habe ich nicht allzu lange über das Outfit nachgedacht – ich habe mich natürlich gefreut, einen österreichischen Designer zu tragen. Über Mode zu sprechen, sehe ich allerdings nicht als meine Aufgabe als Politikerin. Bei meinem Life-Ball-Auftritt war mir vor allem wichtig, die Anliegen der LGBTIQ-Community zu unterstützen und zu signalisieren: Ihr könnt mit meiner Unterstützung rechnen.


Inwiefern sehen Sie eine Notwendigkeit im Umdenken der Frauen bezüglich Arbeiten und Kinder bzw. der hier notwendigen Unterstützung vom Staat? Was sind die Faktoren, die geändert werden müssen, um hier zu einer Besserung beizutragen?
Rendi-Wagner:
Wir haben hier schon den richtigen Weg eingeschlagen: Allein in den  vergangenen vier Jahren wurden seitens des Bundes über 300 Millionen in  den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen investiert. Jetzt müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen. Schließlich geht es darum, dass wir für unsere Kinder bestmögliche Betreuungseinrichtungen und für Eltern echte Vereinbarkeit erreichen. Bei den unter Dreijährigen fehlen noch 18.500 Plätze, dafür braucht es auch weiterhin Geld.
 

Pamela Rendi-Wagner über die Kinderbetreuung

Die Sommerferien sind da – und während sich die Kids freuen, stehen die heimischen Eltern wie jedes Jahr vor einer großen Herausforderung. Die große Zahl von  Schließtagen verursacht für die meisten ein Betreuungsproblem. Das geht ins Geld und erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – für Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) „untragbar“.  Um generell für mehr Kindergartenplätze zu sorgen, sieht sie die ÖVP in der Pflicht. Es brauche Finanzierungssicherheit.


Die Betreuungssituation in den Ferien gestaltet sich für die meisten Familien schwierig. 70 Prozent müssen sich dabei auf die Hilfe ihrer Eltern oder anderer Verwandter verlassen, der Rest greift tief in die Tasche.  Wie können wir das ändern?
Pamela Rendi-Wagner:
Es ist untragbar, wenn Kindergärten zwei Monate pro Jahr geschlossen sind oder schon um 13 Uhr zusperren. Es braucht verbesserte Qualität bei den bestehenden Kindergartenplätzen, vor allem, was die Öffnungszeiten anbelangt.


Wäre es sinnvoll, die Kindergärten in Bundes-Kompetenz zu holen?
Rendi-Wagner:
Mir ist vor allem wichtig, dass die Kinder die besten Betreuungseinrichtungen vorfinden und die Eltern damit die Möglichkeit zur echten Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben. Ich weiß, dass das auch den Gemeinden und Ländern ein Anliegen ist.


Die Familienministerin hat ob dieses Vorschlages Ihrer Parteikollegin Hammerschmied getobt. Erst solle Wien sein Betreuungsproblem in den Griff kriegen. Sehen Sie in Wien auch Aufholbedarf?
Rendi-Wagner
: Wien ist im Bezug auf die Kinderbetreuung eines der bestausgestatteten Bundesländer Österreichs mit einem Gratis-Kindergarten für alle Kinder.


Wann kommt denn jetzt das zweite Gratis- Kindergartenjahr?
Rendi-Wagner:
Wenn es nach mir geht, wird das zweite Gratis-Kindergartenjahr noch in dieser Legislaturperiode beschlossen. Je nach Bundesland und Kindergarten ersparen sich Eltern dadurch bis zu 3.000 Euro pro Jahr für ein Kind. Wir haben der ÖVP dazu Anfang Juni einen Gesetzesvorschlag übermittelt, der bislang ignoriert wurde.


Blockiert die ÖVP hier?
Rendi-Wagner:
Der Gesetzesentwurf liegt am Tisch, die Familienministerin ist jetzt gefragt. Ich stehe für Gespräche jederzeit bereit.


Um das Barcelona-Ziel zu erreichen (33 Prozent Betreuungsquote bei unter Dreijährigen), fehlen noch etwa 18.500 Betreuungsplätze. Wie kommen wir da hin?
Rendi-Wagner:
Wir haben in den vergangenen Jahren große Fortschritte im Bereich der Kinderbetreuung gemacht. Zu verdanken haben wir das der Anstoßfinanzierung des Bundes in der Höhe von 305 Millionen Euro und den Bemühungen der Länder und Gemeinden. Mit Ende des Jahres läuft aber die bisherige Finanzierung des Bundes aus – und es gibt noch keine Nachfolgeregelung. Das heißt, die Länder und Gemeinden können nicht weiter ausbauen, weil sie keine Finanzierungssicherheit haben. Daher appelliere ich an die ÖVP, insbesondere an den Finanzminister und die Familienministerin, endlich sicherzustellen, dass der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen auch weiterhin finanziert werden kann. Es braucht eine klare Finanzierungszusage.

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