Alleinerzieher

Kanzler Kern im Vatertags-Talk

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Über Erziehung, Sorgen Alleinerziehender und Vaterfreuden hat Christian Kern einiges zu berichten, zog er seinen ältesten Sohn doch jahrelang alleine auf.

Ein „Party-Animal“ will unser Bundeskanzler nie gewesen sein. Das behauptet er in einer gerade erst über ihn erschie­nenen Biografie – das scheint aber auch plausibel, wenn man seine Geschichte kennt. Denn Christian Kern wurde bereits mit 22 Jahren Vater. Und dann? „Wie das so ist im Leben“, berichtet der ­Politiker im privaten MADONNA-Talk: „Man versteht einander nicht mehr, Beziehungen gehen auseinander.“ Als das passierte, war für den heute 51-Jährigen klar, dass er „die Verantwortung“ übernimmt, Sohn Niki (heute 29) bei ihm bleibt. 
Familienmensch. Jahre später kommt Kern mit seiner Exfrau Karin Wessely (50) wieder zusammen. Die beiden bekommen zwei weitere Söhne, dann folgt die zweite Trennung. Wieder bleibt das älteste Kind bei Kern. Er meistert Jahre als Alleinerzieher und macht nebenbei Karriere: erst als Wirtschaftsjournalist und Pressesprecher, später als ÖBB-Chef. Gestresst? „Schon.“ Verzweifelt? „Nie“, sagt Kern – der heute mit Unternehmerin Eveline Steinberger-Kern verheiratet ist und eine gemeinsame Tochter hat (Carla, 9). „Abends ausgehen und solche Dinge“ seien zwar nicht mehr drin gewesen, aber abgegangen sei ihm nichts: „Ich habe viel zurückbekommen.“ 
 
Mit 22 Jahren wurden Sie Vater von Sohn Niki. Wie kam es dann dazu, dass Sie plötzlich als Alleinerzieher dastanden?
Christian Kern: Wie das so ist im Leben: Man versteht einander nicht mehr, Beziehungen gehen auseinander. Dann muss man eben eine Entscheidung treffen, und für mich war völlig klar, dass ich die Verantwortung übernehme.    

Kein Streit darüber mit Ihrer Exfrau?
Kern: Nein, das war sehr schnell entschieden. Der Niki war immer ein Papa-Kind, insofern war es ein logischer Schritt. Völlig ohne Streit.
 
Glauben Sie, dass Sie zu Ihrem Sohn dadurch ein engeres Verhältnis haben, als Sie es sonst vielleicht gehabt hätten?
Kern: Ich bin ja ein totaler Familienmensch. Ich liebe meine Kinder über alles und habe zu jedem von ihnen ein besonderes Verhältnis. Es ist der größte Moment im Leben, wenn die eigenen Kinder auf die Welt kommen, es gibt nichts Vergleichbares. Nicht ansatzweise ist die Angelobung als Bundeskanzler vergleichbar mit dem
Moment, wo du das erste Mal dein Kind in den Armen hältst.
 
Waren Sie bei der Geburt Ihrer Kinder dabei?
Kern: Ja. Und es ist ja interessant, bei Männern entwickelt sich die Beziehung zum Kind ganz anders als bei Frauen. Du bist natürlich involviert, kriegst die Schwangerschaft mit, siehst die Ultraschallbilder – aber ab dem Zeitpunkt, wo du das Baby in den Händen hältst, ändert sich alles. Was dann passiert, habe ich vier Mal in prägender Erinnerung behalten – da kannst du dein Glück gar nicht fassen. Diese Erfahrung kann ich nur jedem empfehlen. 

Haben Sie aufgrund Ihres Jobs oft wichtige Ereignisse im Leben Ihrer Kinder verpasst?
Kern: Bei den wichtigen war ich dabei. Aber wenn eine Geburtstagsparty im Kindergarten gefeiert wird oder ein Ausflug stattfindet, kannst du dir nicht immer am Vormittag freinehmen. 
 
Was machen Sie bei Ihrer jüngeren Tochter anders als bei Ihrem ältesten Sohn? 
Kern: Ich bin etwas strenger geworden, wobei ich bei Verhandlungen mit meiner Tochter trotzdem regelmäßig unterliege (lacht). Die weiß schon, wie sie mich um den Finger wickelt. Aber damit hatten ihre Brüder auch nie Schwierigkeiten.

Was war für Sie denn damals die größte ­Herausforderung als Alleinerzieher?
Kern: Ich habe damals schon gearbeitet und nebenbei mein Studium abgeschlossen. Das heißt, ich habe die Zeit nach der Arbeit mit dem Buben verbracht, und nachdem die Gutenachtgeschichte gelesen war, habe ich etwas für die Uni gemacht. Abends ausgehen und solche Dinge sind dann eben nicht mehr drinnen. Da ist mir aber nichts abgegangen. Ich war ja lieber beim Kleinen als sonst wo. 
 
Waren Sie auch manchmal überfordert?
Kern: Man braucht in so einer Situation schon unglaublich viel Disziplin, und es muss dir bewusst sein, dass Dinge, die Gleichaltrige machen, nicht mehr drinnen sind. Aber wie gesagt:  Ich habe das nie ­bereut, ganz im Gegenteil. Ich habe viel zurückbekommen. 
 
Nie verzweifelt?
Kern: Gestresst schon, verzweifelt nie.  Na ja, da gab es schon so Situationen (lacht). Ich werde nie vergessen, als ich mit dem Kleinen einmal am Weg zu seiner Geburtstagsparty im Kindergarten war. Damals war es Usus, dass das Geburtstagskind eine Torte mitbringt. Manche konnten dort mit Selbstgebackenem glänzen, aber wir haben halt eine Torte gekauft und in der Hektik in der Früh aufs Autodach gegeben. Natürlich dort vergessen vor lauter Stress. Das ist mir allerdings erst aufgefallen, als ich bei der ersten Ampel gebremst habe und die Torte spektakulär an der Kreuzung Margareten­straße detoniert ist. Die Kindergärtnerin war entzückend, als sie mit den Resten der Torte aufmarschiert ist und gemeint hat: „Die schmeckt sicher noch.“   

Als Politiker: Wie kann man es Alleinerziehern denn ein wenig leichter machen?
Kern: Mein großer Vorteil war, dass meine Eltern viel mitgeholfen und etwa zu Mittag den Kleinen vom Kindergarten abgeholt haben. Aber wenn du so ein Netzwerk nicht hast, ist das schon eine wahnsinnige Herausforderung – in vielen Fällen auch materiell. Denn Kinderbetreuung muss man sich erst mal leisten können.  
 
Hatten Sie damals auch mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen?
Kern: Nein, ich war immer berufstätig und hatte keine großen Ansprüche mit 22. Aber klar, Urlaub und schöner wohnen waren nicht drinnen. 
 
Die Antwort sind Sie schuldig geblieben: Wie kann man denn die Situation für Alleinerzieher verbessern – auch finanziell?
Kern: Entscheidend sind die Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir wollen das zweite Kindergartenjahr jetzt auch noch gratis machen, das ist wichtig. Genauso wie der Ausbau guter Ganztagsschulen. Zudem wollen wir bei der Privatinsolvenz ansetzen: Oft ist es so, dass junges Glück sich findet, verliebt, Kinder kommen auf die Welt, man baut ein Haus, da ist eine Hypothek drauf – dann passiert es halt oft, dass das Glück zerbricht und die Frau mit den Kindern über und auf der Hypothek sitzen bleibt. Sie schlittert in Privatkonkurs. Wir haben jetzt eine Regelung vorgeschlagen, die eine deutliche Erleichterung für Betroffene bringen wird. Das ist wirklich etwas, woran Kinder über Jahre leiden, indem sie etwa auf keine Landschulwochen mehr mitfahren können oder kein warmes Essen zu Mittag bekommen. Es gibt noch mehr Hebel, die wir bewegen können:  Etwa die Löhne erhöhen. Wir brauchen einen Mindestlohn von 1.500 Euro, das würde vor allem Frauen helfen, die ja den größten Teil der Niedrigverdiener ausmachen.  
 
Nur 19 Prozent der Väter gehen in Karenz.  Wie können wir Väterbeteiligung steigern?
Kern: Wir müssen ein gesellschaftliches Umfeld schaffen, in dem die materielle Frage wegfällt.  Familien sollen es sich leisten können, dass auch der Mann zu Hause bleibt. Da ist mit der Kindergeldreform ein erster Schritt gesetzt und einige Anreize sind geschaffen worden. Ich würde mir aber noch einen Rechtsanspruch auf den neuen Papa-Monat wünschen – darauf konnten wir uns mit der ÖVP bislang nicht einigen. Das alles ist wichtig, denn ich erlebe bei den Jüngeren, dass Work-Life-Balance einen ganz anderen Stellenwert hat als noch bei meinen Eltern. Sie verstehen besser, dass es im Leben Wichtigeres gibt, als nur an Karriere zu denken. Das muss man unterstützen und die nötigen Freiräume schaffen.

Der Schlüssel lautet also: gleiches Geld für gleiche Arbeit. Aber wie können wir die Lohnschere schließen?
Kern: Das werden wir nur durch Trans­parenz bei Gehältern erreichen. Denn oft wissen Frauen gar nicht, dass sie um 20 Prozent weniger verdienen als ihr Schreibtisch-Nachbar. Da wehren sich noch viele dagegen. Ich glaube auch, dass Quoten ein guter Schritt sind. Die 30-Prozent-Quote in Aufsichtsräten, die wir jetzt beschließen wollen. Wir sind außerdem dafür, dass man im Parlament, wenn man als Partei nicht mindestens 40 Prozent Frauenanteil hat, weniger Geld bekommt.

Die von Ihnen erwähnten Anreize beim Kindergeld beinhalten auch einen Anteil von  20 %, der für Männer reserviert ist. Nehmen sie den nicht wahr, verfällt das Geld. Wäre es sinnvoll, diesen Anteil auf 50 % zu erhöhen?
Kern: Darüber könnte man nachdenken. Aber eines muss uns bewusst sein: Wir ­haben es in der Regierung mit unterschiedlichen Gesellschaftsbildern zu tun. So haben wir die letzten 20 Jahre mit der ÖVP über einen Punkt  gestritten, der ganz wichtig für Alleinerziehende wäre: die verschränkte Ganztagsschule. Dagegen wehrt sich die ÖVP – ich frage mich nur, was falsch ist, wenn man den Frauen die Wahlmöglichkeit gibt und die Kinder bessere Bildung bekommen. Echt von gestern ist das. Ich bin stolz darauf, zeit meines Lebens mit engagierten und erfolgreichen Frauen gearbeitet zu haben. 
 
Apropos, was halten Sie vom neuen Frauenvolksbegehren? Unterschreiben Sie es?
Kern: Ich finde, das ist eine gute Initiative, denn wir haben da wirklich Nachholbedarf. 38 Jahre, nachdem Johanna Dohnal in die Regierung kam, haben wir heute immer noch keinen Zustand, der nur annähernd Gleichberechtigung bedeutet. Daran müssen wir arbeiten. In dem Volksbegehren sind viele Forderungen drinnen, die ich für sehr positiv halte. Ich werde es aber selber nicht unterschreiben, weil es sich ja an die Politik richtet – also auch an mich.  
 
Hätte aber vielleicht eine gute Symbolwirkung, wenn Sie es unterschreiben würden. Ihre Frauenministerin tut es ja auch …
Kern: Stimmt, aber das ist Geschmackssache. Ich bin ja kein Aktivist, sondern Kanzler, und versuche lieber, Dinge umzusetzen und nicht bloß zu fordern. Dazu haben wir schließlich die Möglichkeiten und daran werden wir die ÖVP bis Oktober erinnern.  

Zur Person
Privat. Geboren wurde Christian Kern am 4. Jänner 1966 in Wien-Simmering. Der Hobby-Fußballer ist verheiratet mit Eveline Steinberger-Kern (45), die als erfolgreiche Unternehmerin in der Welt der Start-ups und Energiewirtschaft tätig ist.

Karriere. Bereits während seines Publizistikstudiums verdingte sich Kern als Wirtschaftsjournalist, später wurde er Pressesprecher von SPÖ-Staatssekretär Peter Kostelka. Er wechselte 1997 zum Verbund, später wurde er ÖBB-Chef.
 

Aktuelle Studie: Nur 19% Väter in Karenz

Die gute Nachricht zum Vatertag: Die Väterbeteiligung an der Erziehung ist im Steigen begriffen (gemessen wird das anhand der Beteiligung am Kinderbetreuungsgeldbezug). 19,4 % der Väter beteiligten sich 2016 in diesem Sinne an der Kinderbetreuung, 2013 taten dies nur 17,2 %. Die schlechte Nachricht zum Vatertag: Noch ist die Beteiligung der heimischen Papas im Vergleich mit anderen europäischen Staaten wirklich niedrig. So beziehen in Deutschland etwa 34 % der männlichen Elternteile entsprechende Geldleistungen für die Kinderbetreuung, in Schweden sind es gar 90.  

Väterfreundlich? Alarmierend auch die Akzeptanz, die es für berufstätige Väter gibt, die sich um ihren Nachwuchs kümmern, bzw. nicht gibt: Nur 9 % der Befragten finden, dass ein berufstätiger Mann, der seine Kinder betreut, gesellschaftlich sehr akzeptiert ist. Und nur 22 % schätzen Österreich als väterfreundlich ein. Um die Väterbeteiligung zu steigern, brauche es laut Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) „neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen auch einen Bewusstseinswandel“. Gute Anreize würde das neue Kinderbetreuungsgeld-Konto etwa mit dem Partnerschaftsbonus bringen. Aber: „Ich denke aber, dass es hier auch einen Bewusstseinswandel braucht. Denn in vielen Köpfen sind noch die klassischen Familienbilder stark verankert“, so Karmasin.


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