Gut vernetzt!

Frauennetzwerke in Österreich

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Es sind die sozialen Kontakte, die unser Leben lebenswert machen. Sechs Netzwerke im Porträt.

Ohne Gutenberg wäre Luther wohl nur zu einem weiteren Ketzer geworden, den die Kirche wie Jan Hus auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte“, schreibt der renommierte britische Historiker Niall Ferguson (54) in der Neuauflage seines Werkes „Türme und Plätze“. Darin belegt er, wie Netzwerke und Hierarchien sich einen Kampf um die globale Macht liefern. Die Quintessenz: Soziale Netzwerke leisten ihren Beitrag zur Weltgeschichte, und zwar nicht erst seit sozialen „Netzwerken“ wie Twitter, Facebook, Instagram & Co. existieren. Spanische Forscher stießen ganze Imperien in den Abgrund, Buchdrucker untergruben das päpstliche Religionsmonopol, Spione, Banker oder Freimaurer forderten die politischen Machthaber heraus. Was sie alle verbindet: Die Protagonisten waren gut darin, starke Netzwerke um sich zu scharen. Und der Dreh- und Angelpunkt eines solchen Netzwerkes war fast immer ein Mann.   

Weltweite Konglomerate. Auch in Österreich existieren beispielsweise der männliche Service-Club Rotary seit 1925 und mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern aus 156 Ländern ist der Lions Club nicht nur das größte Männernetzwerk weltweit, sondern mit der Gründung im Jahr 1917 auch das ­älteste. Im Zuge der Gleichberechtigung ist eine damit einhergehende Entwicklung, dass sich auch Frauen – entgegen des gängigen Klischees, sie seien schlechter im Networken – immer öfter in Frauennetzwerken zusammenschließen. MADONNA hat mit sechs Frauen aus sechs österreichischen Frauennetzwerken gesprochen, die sich weit weg vom „Kaffeeklatsch“ mit teils ganz unterschiedlichen Ansätzen in allen ­Lebensbereichen gegenseitig unterstützen.

Stereotype. Treffen sich Frauen in regelmäßigen Abständen und reden nicht nur über Kinder und den Haushalt, ist das in unserer aktuellen Gesellschaft kein Einzelfall, sondern sollte Usus sein. Nichtsdestotrotz bekommen „Frauennetzwerke leicht den Stempel eines Kaffeekränzchens aufgedrückt und werden gerne ins Lächerliche gezogen“, sagt Cornelia Pessenlehner, ­Vizepräsidentin von BPW Austria. Dr. Henrietta Egehrt, Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) kennt ebenfalls das Klischee, dass nur „hilfsbedürftige Frauen das Angebot des Frauennetzwerkes Wirtschaftsimpulse von Frauen in Forschung und Technik (w-fForte) annehmen. „Wer w-fFORTE kennt, weiß: Man trifft dort eine Top-Forscherin ebenso wie die Österreicherin des Jahres.“ Auch Stephanie Bondi, Vorstand des Businessnetzwerks Sorority, erzählt: „Es überrascht immer wieder Leute, wenn man erzählt, dass man regelmäßig mit 50 Frauen einen netten, interessanten Abend ohne Drama erlebt.“ Dabei gehen diese Frauennetzwerke sehr weit über Plausch bei einer Tasse Kaffee hinaus: Business & Professional Women Austria (BPW Austria) ist Teil des größten Frauennetzwerkes international, das seit 1930 besteht und in Österreich rund 330 Mitglieder verzeichnet. Der Fokus: „Frauen im beruflichen ­Leben zu fördern, um eine echte Gleichstellung mit Männern zu erreichen“, so Pessenlehner. Die Daseinsberechtigung für Frauennetzwerke, die sich dem beruflichen ­Aspekt widmen, ist fast immer gleich: „Frauennetzwerke können ein wichtiger Wegbereiter für weibliche Karrieren sein. Wir ­sehen nach wie vor, dass Frauen nicht repräsentativ in Führungsfunktionen vertreten sind und dass sie weniger verdienen – selbst, wenn sie die gleiche Qualifikation haben und das Gleiche, oft sogar mehr, leisten.“ Dabei geht es darum, dass sich Mitglieder gegenseitig Rückhalt geben, sich bestärken, über Karrierestrategien austauschen und „sich gegenseitig Kontakte und Möglichkeiten weiterreichen“, sagt Pessenlehner.

Hilfe zur Selbsthilfe. Für Bondi von Sorority braucht es Frauennetzwerke „als Gegenpol zu den herrschenden, männlich dominierten Strukturen, um so eine Balance herzustellen“. Die Balance versucht beispielsweise Sorority mit Workshops zu Themen wie Gehaltsverhandlung, Steuerrecht, Bewerbungsprozesse, Führungs­positionen oder auch Coachings zu rechtlichen Fragen bis hin zur Kinderbetreuung oder dem „Stammtisch für Selbstständige“ herzustellen. Bohren, Heizungen installieren, Fenster malen und viele weitere typische männlich konnotierte Tätigkeiten bringt auch das Netzwerk Klub für Frauen seinen Mitgliedern näher. PR-Expertin ­Gabi Spiegelfeld gründete 2002 gemeinsam mit der Ex-Politikerin Eva Glawischnig den Klub als „überparteiliche Initiative von Frauen aus den verschiedensten Bereichen – Wirtschaft, Politik, Medien, Kunst und Kultur“. Spiegelfeld vertritt weniger einen feministischen Zugang, sondern sieht den Klub für Frauen mittlerweile „mehr als gemischtes Netzwerk“ an. Sie sieht bei Frauen in Österreich einen Nachholbedarf an Vernetzung und wollte „eine Plattform schaffen, bei der Frauen, die kein Netzwerk wie beispielsweise ein männlicher CEO haben, vor den Vorhang geholt werden“. Die Veranstaltungen des Klubs legen den Fokus auf aktuell brisante Themen: „Es sind keine Diskussionen zur gegenseitigen Beweihräucherung, sondern jede Frau soll mit einem Mehrwert die Netzwerk-Veranstaltung verlassen.“ 
 
WWW einmal ganz anders. Sich „gegenseitig das Leben erleichtern und bereichern“ wollen auch die Frauen des Facebook-Netzwerkes „Wiener Wunderweiber“, 2015 von der Juristin Ulrike Lackner-Stauchner gegründet. Die Plattform hat mittlerweile mehr als 8.000 Mitglieder, die sich über die Facebook-Gruppe organisieren: „Im Grunde zählt für mich jede noch so kleine Hilfestellung, jeder Rat und jeder Tipp“, fasst Lackner-Stauchner den Zweck der Gruppe zusammen. Die WWWs haben schon brenzlige Situationen gemeistert, wie zum Beispiel: „Eine verzweifelte Mutter hat sich gemeldet, deren Tochter die Schule abgebrochen hatte und nun eine Lehrstelle suchte und bald darauf hat tatsächlich ein in einem Hotel tätiges Wunderweib eine Lehrstelle für dieses Mädchen geschaffen“. Für die Gründerin ein Glücksfall, „denn für das Mädchen war das zukunftsentscheidend“.  


Interessengemeinschaft. Noch ein Stück weiter entfernt von wirtschaftlichen Kerngedanken hat Irene Fellner ein Frauennetzwerk gegründet: „‚Soulsisters – Zentrum für Frauen in der Lebensmitte‘ ist ein Netzwerk, in dem es um soziale und persönliche Entwicklung geht, sowie um die Verbesserung des Wohles aller Frauen“, so Fellner, die ihren Job als Unternehmens­beraterin und Projektmanagerin aufgegeben hat, um jetzt anderen Frauen mit Seminaren und Coachings bei Fragen der Neuorientierung und Sinnsuche zu helfen: „Ich habe gemerkt, dass es außer mir noch viele Frauen gibt, für die sich in der Lebensmitte innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig viel verändert. Deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Frauen in dieser Zeit zu unterstützen, sie zu vernetzen. Und die Frauen kommen auf einer sehr persönlichen Ebene zusammen, was sehr schön ist, denn teils entstehen echte ­Lebensfreundschaften.“


Eine Schere schließen. Gegenseitiges Empowerment steht  für alle Frauennetzwerke ganz weit oben auf der Agenda. Dass im Vergleich zu Männernetzwerken noch eine Kluft existiert, ist ebenso allen klar. „Im 19. Jahrhundert durften gebildete Frauen wie die erste Programmiererin der Welt, Ada Lovelace, aufgrund ihres Geschlechts keine wissenschaftliche Bibliothek betreten, das Wahlrecht ausüben oder zu einem ordentlichen Universitätsstudium zugelassen werden. Alles zurecht unvorstellbar heutzutage! Aber der Wandel der Zeit braucht leider auch seine Zeit“, so Egerth von der FFG: „Wir wollen Bewusstsein dafür schaffen, dass der geringe Frauenanteil in Forschung und Innovation nicht an individuellen Fähigkeiten, Einsatz oder Erfolg liegt. Vielmehr sind es systemische Gründe wie traditionelle ­Organisationskulturen, Rollenbilder oder Teilzeitarbeit.“ Auch für Spiegelfeld ist das „Pflegepickerl auf der Stirn der Frau“ einer der Gründe, warum sie den „Klub für Frauen“ gegründet hat: „Für Männer ist es aus der Historie heraus selbstverständlich, dass sie ein Netzwerk in einem rotarischen Club oder bei den Freimaurern ­haben. Ist das Kind oder die Tante krank, wird automatisch die Frau hinzugezogen, was zu einem ganz anderen Zeitspektrum für die Frau führt.“


Verhältnis von Geburt und Umfeld. Diese „unterschiedliche Sozialisation“ sieht auch Pessenlehner von BPW als Grund dafür, dass „Männerbünde derzeit noch wirk­samer sind“: „Deren Mitglieder haben sich lange hocheffizient gegenseitig vor allem beruflich oder politisch nach oben mitgezogen – und tun es noch heute. Frauen sind von der Tradition her mit inneren Netzwerken, wie Familien, beschäftigt und daher nicht so nach außen aktiv und sichtbar.“ Frauenbünde, die sich politisch oder beruflich unterstützen, wurden lange verboten, behindert oder sanktioniert. Der soziale Aspekt eines Netzwerkes ist aber für alle wohl der wichtigste Aspekt. Irene Fellner führt an: „Männernetzwerke sind vor allem auf den wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet, es geht um ein Geben und Nehmen. Frauennetzwerke sind mehr durch einen sozialen Hintergrund, ein menschliches Interesse motiviert und weniger durch bloßes Kalkül.“

Zukunftsgespräche. Unabhängig von Größe, thematischem Fokus oder Gründungszeitpunkt vereinen diese Frauennetzwerke der Wille zur Veränderung, das Schaffen eines „Safe Space“ (Bondi) und „unsere Gesellschaft mitzugestalten und meinen Kindern später die Möglichkeit zu geben, sich ohne Geschlechterstigmata beruflich entwickeln zukönnen“ (Pessenlehner). Mit dem „Equal Pay Day“ von BPW oder der „NO MORE BULLSHIT“-Kampagne von Sorority und den zahlreichen Veranstaltungen und Coachings arbeiten diese Frauen aktiv an mehr Gleichberechtigung in Österreich. Und wie Netzwerke über die vergangenen Jahrhunderte Systeme gestürzt oder geschaffen haben, wird der Stellenwert eines sozialen Clusters, zu networken und sich austauschen auch zukünftig weltbewegend sein. Nur ist vielleicht, wenn in 100 Jahren ein Historiker ein Buch publiziert, nicht ein Mann, sondern eine Frau im Kern des Netzwerkes.

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SOULSISTERS

Das von Irene Fellner gegründete „Zentrum für Frauen“ besteht erfolgreich seit über fünf Jahren und richtet sich speziell an Frauen in der Lebensmitte. Von 8.–15. Juni findet erneut der „Soulsisters Online-Kongress“ mit 30 Experten statt.  
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